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Kannst du mir verzeihen

Kannst du mir verzeihen

Titel: Kannst du mir verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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hörte, dass sie etwas sagte. Er schien sich wieder gefangen zu haben und war ganz der Alte: jede Menge labern, null Toleranz.
    Â»Jetzt mal ehrlich, mach doch bitte nicht so ein Drama aus der Sache ...«
    Sie machte ein Drama aus der Sache?
    Heimliche Telefonate, heimliche Treffen, geheimnisvolles Flüstern in dunklen Ecken.
    Das bildete sie sich doch nicht ein!
    Gut, vielleicht war es etwas krass gewesen, seine Sachen aus dem Fenster zu werfen, aber es ging eben nicht nur um einen kleinen, heimlichen Kuss, das hatte ihr Bastian ja selbst unter die Nase gerieben, als er – offensichtlich angetrunken – auf ihren Anrufbeantworter gequatscht hatte. Er hatte geschworen, sie habe das alles eingefädelt, habe ihn in einem schwachen Moment erwischt. Als er wegen Sid traurig gewesen war. Beziehungsweise darüber, Hanny nicht trösten zu können. Ein Kuss, ja. Er habe ein paarmal mit ihr telefoniert, sich mit ihr auf einen Kaffee getroffen, aber nur, um ihr klarzumachen, dass nichts lief. Doch sie habe nicht lockergelassen, ihn weiter angerufen. War in seiner Praxis aufgekreuzt. Und als sie sich am 5.November in der Bonfire Night trafen, habe er ihr gesagt, sie solle ihn in Ruhe lassen.
    Natürlich konnte man die Geschichte so oder so hören, und zuerst war Hanny auch erleichtert gewesen. Genau wie Edith hatte sie sich das Kamasutra von vorne bis hinten und von oben bis unten vorgestellt. Ein Kuss war so was wie eine Schneeflocke in einer Lawine. Und doch: Je länger sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie. Statt sich zu beruhigen und die Sache auf sich beruhen zu lassen.
    Einen Kuss hätte sie vielleicht verzeihen können, dafür hätte sie vielleicht sogar Verständnis gehabt. Aber es war eben nicht nur dieser Kuss. Es war das ganze Drama drumherum, das sie so verletzt hatte. Die Tatsache, dass er sie nicht nur geküsst hatte (oder sie ihn), sondern er sie nach diesem Kuss angerufen und sich mit ihr getroffen hatte, mit ihr gemeinsame Sache gemacht, diesen einen kleinen Kuss aufgebauscht hatte, als müsse diese kleine Sache beschützt werden, als sei sie etwas Besonderes. Dass er aus etwas, von dem alle behaupteten, es sei nur eine unbedeutende Kleinigkeit gewesen, etwas Großes machte, etwas, um das er sich kümmerte und sich Sorgen machte. Er selbst hatte aus einem kleinen, unbedeutenden, heimlichen Kuss ein einziges großes Betrugsdrama gemacht. Ein Drama, das – da war Hanny sich ganz sicher – sie insgeheim jede Minute genossen hatte.
    Die ganze Geschichte hatte sie enger miteinander verbunden, als jeder Kuss es vermocht hätte. Das war es, was Hanny so verletzte: Die beiden hatten jetzt etwas gemeinsam.
    Es war nicht der Kuss an sich, nicht der blöde, popelige Kuss. Aber wozu sollte sie auch nur versuchen, Oliver das zu erklären? Er war ja nicht gekommen, um ihr zuzuhören.
    Â»Ich finde, du bist wirklich extrem ungerecht. Er hat doch wohl zumindest mal eine Chance verdient, dir alles genau zu erklären. Aber du willst ja nicht mal mit ihm reden. Ich hätte nie gedacht, dass du so nachtragend sein kannst. So kleinlich. Bastian ist ein toller Typ, Hanny. Er sieht gut aus, ist intelligent, hat Humor, ist vernünftig. Ihm laufen die Frauen in Scharen nach. Und er weist eine nach der anderen ab ...«
    Â»Nur die eine nicht ...«
    Er verdrehte die Augen, als sei Hanny ein bockiges Kind, das einfach nicht zur Vernunft kam.
    Eigentlich wollte er wieder »Es war doch nur ein Kuss« sagen, und Hanny wusste das. Sie konnte die Worte in seinem Kopf aufblitzen und auf seinen Lippen Gestalt annehmen sehen. Und sie wollte sie wirklich nicht noch einmal hören. Nicht von ihm. Nicht von jemandem, der ihr stets so willkommen gewesen war wie Schnee auf der nackten Haut. Genau genommen wusste sie nicht einmal, was er eigentlich hier wollte. Von Oliver hätte sie nun wirklich eine völlig andere Reaktion erwartet. Sie hätte gedacht, dass er Bastian auf die Schulter klopfte und ihm gratulierte, »die Alte endlich los zu sein«. Schließlich hätten sie doch ohnehin nie wirklich zueinandergepasst.
    Â»Was willst du eigentlich hier, Oliver?«
    Er zuckte die Achseln. »Hanny, es geht Bastian wirklich schlecht ohne dich. Er ist fix und fertig. So habe ich ihn noch nie gesehen.«
    Sie sah ihn an und versuchte, sich Bastian als emotionales Wrack vorzustellen. Es wollte ihr nicht gelingen. Sie seufzte

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