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Kannst du mir verzeihen

Kannst du mir verzeihen

Titel: Kannst du mir verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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liebte und ihr blind vertraute. Vielleicht hatte sie das Gesagte deshalb annehmen können. Vielleicht war sie deshalb endlich bereit, mit ihm zu reden. Vielleicht war Midge so etwas wie ihre Stimme der Vernunft.
    Sie dachte zurück an jenen Abend, an dem sie die beiden gesehen hatte und ihnen gefolgt war. Sie hatte an Sid gedacht und war so in ihrer Trauer versunken gewesen, so untröstlich über seinen Verlust. Schon bevor sie Bastian mit ihr sah. Sie war vollkommen durch den Wind gewesen.
    Plötzlich fiel Hanny etwas ein. Sie trat auf die Bremse und hielt mitten auf der Straße an. Das kleine Auto quittierte das abrupte Manöver damit, dass der Motor absoff.
    Hanny umklammerte das Lenkrad, lehnte sich nach vorn und legte das Kinn auf dem Steuer ab. So blieb sie mindestens zehn Minuten sitzen, mitten auf der Straße.
    Als sich schließlich ein anderes Auto näherte und sie anhupte, startete sie Cyril wieder, fuhr ganz weit links ran, um den anderen Wagen vorbeizulassen, und wendete dann.
    Wieder zu Hause blieb sie noch eine Weile im Auto sitzen, bis sie die Kälte in den Fingerspitzen spürte. Dann stieg sie aus, schloss vorsichtig die Wagentür und ging nach hinten ums Haus.
    Durch die Terrassentür konnte sie Midge im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen sehen, ein Glas Wein in der Hand, Nancy auf dem Schoß. Sie sah fern und lachte.
    Midge hätte ihre Nichte kaum bemerkt, wenn nicht Nancys siebter Sinn diese aufgescheucht und zum Fenster getrieben hätte, wo sie schrill kläffte und wie ein Derwisch tanzte.
    Jetzt musste sie natürlich hineingehen. Zusammen mit einem Schwall kalter Luft betrat sie das warme Zimmer.
    Midge richtete die Fernbedienung auf den Fernseher und stellte ihn auf Lautlos, sodass er nur noch ein flackerndes bläuliches Licht verbreitete. Sie setzte sich auf und lächelte Hanny herzlich und besorgt an.
    Â»Hallo! Das ging aber schnell. Wie ist es gelaufen?«
    Â»Ã–h, ja, ganz gut.« Hanny staunte selbst, dass sie ihre Tante – abgesehen von dem einen oder anderen Flunkern bezüglich bereits erledigter Hausaufgaben – zum ersten Mal in ihrem Leben anlog.
    Â»Ihr habt euch also gesehen? Und geredet?«
    Â»Hmhm ...« Hanny bückte sich, um sich die Stiefel auszuziehen, aber natürlich auch, um sich zu verstecken.
    Â»Und? Wie ist es gelaufen?«
    Â»Na ja ... War halt ein bisschen seltsam ...«
    Â»Aber ihr habt reinen Tisch gemacht?«
    Hanny sah auf.
    Â»Glaub schon.«
    Â»Und jetzt?«, drängelte Midge.
    Â»Wir müssen ... noch mehr miteinander reden.« Diese Worte gingen ihr etwas leichter über die Lippen, weil sie wenigstens keine komplette Lüge waren. Stimmte ja. Irgendwann würden sie miteinander reden müssen.
    Â»Aber ihr habt einen Anfang gemacht, ja? Und es geht voran, ja?«
    Hanny lächelte etwas seltsam und nickte.
    Â»Eine neue Gemeinsamkeit, ja. Das kann man wohl so sagen.«
    Â»Bist du sauer auf mich?«
    Â»Weil du mich gedrängt hast, mich mit Bastian zu treffen?« Hanny biss sich auf die Lippe und schüttelte langsam den Kopf. »Ehrlich gesagt, ich hatte so was in der Art erwartet.«
    Â»Willst du mir erzählen, was er gesagt hat?«
    Doch Hanny schüttelte den Kopf, setzte sich ohne ein weiteres Wort noch im Mantel neben ihre Tante aufs Sofa, legte den Kopf auf Midges Schulter, nahm die Fernbedienung und schaltete den Ton wieder ein.

Midge und Hanny saßen, ohne es vorher verabredet zu haben, um Punkt halb sieben an diesem Morgen gemeinsam am Frühstückstisch.
    Kein weiteres Wort hatte ihre Nichte über das Treffen mit Bastian verloren, aber das Gespräch mit ihm hatte ihr ganz offensichtlich gutgetan. Hanny war wie ausgewechselt. Kein Vergleich mehr zu dem heulenden Wrack, das sie bei ihrer Ankunft vor zwei Tagen in den Armen hielt. Fast, als sei sie auf Dopamin oder irgendwelchen anderen stimmungsaufhellenden Medikamenten. Bei jedem Schritt, den sie durch die Küche tat, schien Hanny zu schweben.
    Es ging ihr augenscheinlich viel, viel besser, und Midge lächelte erleichtert. Und sie war überrascht, als Hanny ihr nun ganz ruhig verkündete:
    Â»Weißt du was? Ich finde, du solltest die Reise, die du extra für mich unterbrochen hast, wieder aufnehmen und wie geplant nach Spanien fliegen. Dir sind ja bloß zwei Tage entgangen. Du kannst immer noch locker zu Weihnachten zurück sein.«
    Doch

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