Kannst du mir verzeihen
gepackt. Ich kenne Hanny, Midge. Ich weiÃ, was sie am allermeisten verletzt hat. Nämlich dass ich versucht habe, den Mantel des Schweigens über alles zu breiten. Damit habe ich alles nur noch schlimmer gemacht, stimmtâs?«
Hanny und Midge fuhren an den Strand. Das hatten sie früher, als Hanny noch klein war, oft getan. Vor ihnen schaumgekrönte Wellen, hinter ihnen schneebedeckte Dünen, über ihnen kreischende Möwen am blassblauen Himmel.
Nancy, die noch nie zuvor das Meer gesehen hatte, drehte schier durch. Sie sprang ins flache Wasser und genauso schnell wieder heraus, machte dabei aber ein entzücktes Gesicht.
Windfest angezogen und untergehakt, sahen die beiden Frauen ihr zu und lachten.
Midge hatte Hanny noch nicht erzählt, dass sie sich mit Bastian getroffen hatte. Das würde sie selbstverständlich noch tun, schlieÃlich hatten sie keine Geheimnisse voreinander, aber sie wartete noch auf den richtigen Zeitpunkt.
Am Vortag, als sie von ihrem Treffen mit Bastian nach Hause gekommen war, hatte Hanny noch immer geschlafen. Midge hatte sich neben sie gelegt, sie eine Weile beobachtet, das schlafende Gesicht nach Hinweisen auf eine Veränderung abgesucht. Dunkle Ringe hatte sie unter den Augen, ihre geliebte Hanny. Dann überkam sie selbst die Müdigkeit nach der langen Reise, und sie schlummerte ebenfalls ein.
Später hatten sie versucht, einen normalen Abend zu verbringen, was auch gut gelang, denn Midge machte Hannys Leibgericht: Lasagne. Die konnte niemand so gut wie ihre Tante, betonte Hanny immer wieder. Dann sprachen sie über Midges Reisen, sahen sich Fotos an, lachten und redeten über Gott und die Welt, wie sonst auch immer.
Doch als sie jetzt in so einträchtigem Schweigen nebeneinander herliefen, musste Midge wieder an Bastian denken. Sie war durchaus realistisch. Beziehungen scheiterten häufig, das war keine neue Erkenntnis. Aber sie hätte nie gedacht, dass Hanny und Bastian so etwas passieren würde. Sie hatten einfach so unendlich glücklich miteinander gewirkt.
Sie liebten sich doch.
Bastian war charmant, witzig, fleiÃig. Und selbst in dieser mehr als unangenehmen Situation war er immer noch liebenswürdig. Er hatte Hanny so gutgetan.
Und jetzt.
Und jetzt ...
Jetzt würde Midge sie beide am liebsten kräftig durchschütteln, denn beide benahmen sich wie die Kinder.
Wenn sie Bastian wäre, würde sie nicht jeden Tag ein Geschenk vor Hannys Haustür legen. Sie würde ein Megafon an den Briefschlitz halten und sicherstellen, dass Hanny sich anhörte, was er zu sagen hatte. Doch sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, warum er eine so umständliche Taktik gewählt hatte, statt Hanny direkt mit seinen Gedanken, Bedürfnissen, Hoffnungen und Wünschen zu konfrontieren: Er versuchte, Hanny ihre eigenen Bedürfnisse, Hoffnungen und Wünsche bewusst zu machen.
Bastian musste wissen, ob sie ihn zurückwollte. Und sie musste das auch wissen. Er hatte so groÃe Angst, zurückgewiesen zu werden, dass er ein Feuer entzündete und vorsichtig einen Zweig nach dem anderen drauflegte.
Aber war es die groÃe Liebe nicht wert, sich selbst zum Affen zu machen? Sich der Länge nach in einen Fettnapf zu schmeiÃen? Das Feuerchen zu vergessen und einen Flammenwerfer zum Einsatz zu bringen? Sollte er nicht einfach mit dem Megafon und der Tür ins Haus fallen und für klare Verhältnisse sorgen?
Und wenn er das aber nun mal nicht tat? Dann musste wohl irgendjemand anderes dafür sorgen, dass die beiden wieder auf Kurs kamen ...
Zurück im Auto wurde die salzwassernasse Nancy in ein Handtuch gewickelt und auf Hannys Schoà platziert. Die bläulichen Hände der beiden Frauen färbten sich langsam wieder rosa, als Midge am Ende der StraÃe nicht nach rechts Richtung Zuhause abbog, sondern nach links.
Hanny sah sie fragend an.
»Ich dachte, wir könnten vielleicht im Rashleigh zu Mittag essen?«
»Ach, ich weià nicht ...« Hanny zögerte. »Ich dachte, wir essen zu Hause was ...«
»Also, ich finde, du hast dich jetzt lange genug in deiner Höhle verkrochen. Es wird dir nicht schaden, noch ein, zwei Stunden länger drauÃen zu bleiben. Komm schon, wir gehen in den Pub ... Kannst auch zwei Portionen Nachtisch haben«, fügte sie noch hinzu, als Hanny weiter zweifelnd guckte.
Da lächelte sie.
»Na gut, wenn das so
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