Kanonenfutter
Kommandanten die traditionellen Ehren beim Vonbordgehen zu erweisen.
Aber Dumaresq stand breitbeinig da, den Kopf vorgestreckt, und schrie den Schiffsarzt an: »Nein, mein Herr, er darf nicht sterben! Nicht bevor ich die Information habe!«
Bulkley hob hilflos die Hände. »Aber der Mann ist schon halb hinüber, Sir. Ich kann nichts mehr machen.«
Dumaresq schaute auf die wartende Gig und den Kutter hinunter, der mit Colpoys’ Begleitkommando beladen war. Er wurde in der Residenz des Vizekönigs erwartet. Eine Verspätung würde Verstimmungen zur Folge haben, die er gerade jetzt vermeiden mußte, weil er das Entgegenkommen der Portugiesen brauchte.
Er wandte sich abrupt zu Palliser um. »Verdammt, machen Sie das.
Sagen Sie diesem Halunken Triscott, daß ich – wenn er Einzelheiten über seine Mission und seinen Bestimmungsort preisgibt – einen Brief an seine Heimatgemeide in Dorset schicken werde. Ich will dafür sorgen, daß er als ehrenwerter Mann in Erinnerung bleibt. Machen Sie ihm klar, was das für seine Familie und seine Freunde bedeutet.« Er bemerkte Pallisers zweifelnde Miene. »Herrgott noch mal, Mr. Palliser, denken Sie sich was aus. Verstanden?«
Palliser fragte sanft: »Und wenn er mir ins Gesicht spuckt?«
»Dann lasse ich ihn hier in aller Öffentlichkeit aufknüpfen. Mal sehen, was seine Familie dazu sagt.«
Bulkley trat vor. »Langsam, meine Herren. Der Mann liegt im Sterben und kann keinem mehr schaden.«
»Gehen Sie hinunter und tun Sie, was ich gesagt habe. Das ist ein Befehl.« Dumaresq drehte sich zu Palliser um. »Lassen Sie von Mr. Timbrell ein Jolltau an der Nock der Großrah anschlagen. Ich werde den Schurken persönlich daran hängen, ob er im Sterben liegt oder nicht, wenn er sich weigert, uns zu helfen.«
Palliser folgte dem Kommandanten zum Fallreep. »Es muß eine unterschriebene Erklärung sein, Sir.« Er nickte, wie um es zu bestätigen.
»Ich werde einen Zeugen hinzuziehen, der seine Worte protokolliert.« Dumaresq lächelte verkniffen. »Guter Mann! Sie machen das schon.« Er sah Bolitho und fuhr ihn an: »In die Gig mit Ihnen! Jetzt wollen wir den Vizekönig besuchen.«
Als das Boot frei von der Bordwand war, drehte Dumaresq sich um und musterte sein Schiff, wozu er die Augen wegen der starken Sonnenspiegelung zukneifen mußte.
»Bulkley ist ein guter Arzt, aber manchmal benimmt er sich wie ein altes Weib. Wir sind nicht zur Erholung hier, sondern um einen ve rschollenen Schatz zu bergen.«
Bolitho versuchte, seine Haltung zu ändern, da die Ducht, auf die er sich seinem Kommandanten gegenüber gesetzt hatte, kochend heiß war.
Der vertrauliche Ton Dumaresqs ermutigte ihn zu der Frage: »Gibt es wirklich einen Schatz, Sir?« Er sprach dabei so leise, daß der Schlagmann ihn nicht verstehen konnte.
Dumaresq packte seinen Säbelgriff fester und starrte auf das Land.
»Es gibt ihn irgendwo, das weiß ich. In welcher Form, bleibt herauszufinden. Aber dafür sind wir hier. Aus diesem Grund besuchte ich auch meinen alten Freund auf Madeira. Aber irgend etwas Unfaßbares geht im Hintergrund vor sich. Deshalb wurde mein Schreiber ermordet. Deswegen trieb die Heloise ihr gefährliches Spiel und ve rsuchte, uns zu folgen. Und nun erwartet der arme Bulkley von mir, daß ich ein Gebet für einen Schurken lese, der vielleicht den Schlüssel zu allem besitzt; für einen Mann, der beinahe meinen jungen, sentimentalen Dritten Offizier getötet hätte.« Er wandte sich Bolitho zu und sah ihn merkwürdig an. »Sind Sie immer noch aufgebracht wegen Jurys Uhr?«
Bolitho schluckte. Der Kommandant hatte es tatsächlich nicht ve rgessen.
»Sobald wir zurück sind, werde ich die Sache in die Hand nehmen, Sir.«
»Hm. Machen Sie keine zu große Affäre daraus. Wenn ein Verbrechen geschehen ist, muß der Schuldige bestraft werden – streng. Aber diese armen Burschen besitzen kaum einen Heller. Ich möchte sie nicht alle gedemütigt sehen wegen eines gemeines Diebes, obwohl Gott weiß, daß viele von ihnen auf die Weise begannen.« Dumaresq hob weder die Stimme, noch schaute er seinen Bootssteurer an. »Sehen Sie mal zu, was Sie da machen können, Johns.«
Mehr sagte er nicht, doch Bolitho spürte, daß es ein starkes Band zwischen dem Kommandanten und seinem Bootssteurer gab.
Dumaresq schaute zur Landungsbrücke. Da standen weitere Uniformierte und einige Pferde. Auch eine Kutsche wartete, um die Besucher zur Residenz zu bringen.
Dumaresq spitzte die Lippen. »Sie werden mich
Weitere Kostenlose Bücher