Kanonenfutter
schön geschnitzter Lehnstuhl, er mußte hier – wie das ganze Haus – schon lange stehen.
Eine weitere Tür öffnete sich, und ein Diener wartete darauf, daß Egmont ihn bemerkte.
»Etwas Wein, Leutnant?«
Bolithos Mund war wie ausgedörrt. »Ein Glas würde ich gern annehmen, Sir.«
»Ruhen Sie sich aus, während ich lese, was Ihr Kommandant mir mitzuteilen hat.«
Bolitho sah sich im Raum um, als Egmont zu einem Tisch hinüberging und Dumaresqs Brief mit einem goldenen Stilett aufschlitzte. Rundherum Bücher über Bücher, und auf dem Boden einige wertvolle Teppiche. Es war schwierig, Einzelheiten zu erkennen, weil seine Augen noch vom Sonnenlicht geblendet waren; außerdem waren die Fenster so dicht verhängt, daß es fast zu dunkel war, um den Gastgeber näher zu betrachten. Ein intelligentes Gesicht, dachte Bolitho. Der Mann schien um die Sechzig zu sein, aber die Menschen in diesem Klima alterten schneller. Es war schwierig zu erraten, was Egmont hier tat und wie Dumaresq ihn entdeckt hatte.
Egmont legte den Brief sorgsam auf den Tisch und schaute zu Bolitho hinüber.
»Ihr Kommandant hat Ihnen nichts über den Inhalt erzählt?«Er sah Bolithos Gesichtsausdruck und schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Es war falsch, Sie danach zu fragen.« Bolitho sagte: »Er befahl mir, den Brief unverzüglich zu überbringen. Das ist alles.«
»Verstehe.« Einen Augenblick schien er unsicher, sogar besorgt. Dann sagte er: »Ich werde tun, was ich kann. Es wird selbstverständlich einige Zeit dauern, aber da der Vizekönig nicht in der Residenz ist, wird Ihr Kommandant sicherlich noch bleiben.«
Bolitho öffnete den Mund, schloß ihn aber wieder, als die Tür sich öffnete und eine Frau mit einem Tablett eintrat. Er sprang auf und schämte sich sogleich seines zerknitterten Hemdes und seiner schweißverklebten Haare. Denn er kam sich wie ein Vagabund vor im Vergleich zu dieser Gestalt; sie war das schönste Wesen, das er je gesehen hatte.
Ganz in Weiß gehalten war ihr Gewand, in der Taille durch einen schmalen goldenen Gürtel zusammengerafft. Ihr Haar glänzte pechschwarz wie seines und fiel, obwohl im Nacken durch ein Band gebändigt, üppig auf ihre Schultern, deren Haut wie Seide glänzte.
Sie musterte ihn vom Scheitel bis zur Sohle, wobei sie den Kopf leicht auf die Schulter neigte.
Egmont war aufgestanden und sagte förmlich: »Das ist meine Frau, Leutnant Bolitho.«
Bolitho verbeugte sich. »Es ist mir eine Ehre, Madam.« Er wußte nicht, was er weiter sagen sollte. Ihre Erscheinung bewirkte, daß er sich unbeholfen vorkam und unfähig, auch nur einen Satz herauszubringen; aber auch sie hatte noch nichts zu ihm gesagt.
Sie setzte das Tablett auf einen Tisch und hielt ihm die Hand entgegen.
»Seien Sie uns willkommen hier, Leutnant. Sie dürfen meine Hand küssen.«
Bolitho ergriff die Hand, fühlte ihre weiche Haut und roch ihr Parfüm, das ihm vollends den Kopf verdrehte.
Ihre Schultern waren nackt, und trotz des Zwielichts im Raum sah er, daß sie violette Augen hatte. Sie war schön, ja, mehr als das. Auch ihre Stimme, als sie ihm die Hand geboten hatte, war aufregend. Wie kam es, daß sie Egmonts Frau war? Sie mußte beträchtlich jünger sein, Spanierin oder Portugiesin, gewiß keine Engländerin. Bolitho hätte sich nicht gewundert, wenn sie direkt vom Mond heruntergestiegen wäre.
Er stammelte: »Richard Bolitho, Madam.«
Sie trat einen Schritt zurück und hielt eine Hand vor den Mund. Dann lachte sie. »Bo-li-tho! Ich glaube, es ist leichter für mich, wenn ich Sie nur mit ›Leutnant‹ anrede.« Ihr Gewand schwang herum, als sie sich ihrem Mann zuwandte. »Später, denke ich, darf ich Sie einfach Richard nennen.«
Egmont sagte: »Ich werde einen Brief schreiben, den Sie mitnehmen können, Leutnant.« Er schien hinter seine Frau, ja, durch sie hindurchzuschauen, als ob sie nicht da wäre. »Ich werde tun, was ich kann.«
Sie wandte sich wieder Bolitho zu. »Bitte kommen Sie uns besuchen, so lange Sie in Rio sind.« Sie deutete einen kleinen Knicks an, und ihre Augen ruhten dabei auf seinem Gesicht. Dann sagte sie mit weicher Stimme: »Ich habe mich gefreut, Sie kennenzulernen.«
Dann war sie verschwunden, und Bolitho sank in seinen Stuhl, als ob ihm die Beine weggezogen worden wären.
Egmont sagte: »Es wird einen Augenblick dauern. Genießen Sie den Wein, während ich Tinte und Papier hole.«
Schließlich war es geschafft, und als Egmont den Umschlag mit feuerrotem
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