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Kanonenfutter

Kanonenfutter

Titel: Kanonenfutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Siegellack verschloß, bemerkte er kühl: »Erinnerungen wirken lange nach. Ich lebe hier nun schon viele Jahre und war nur selten – außer in geschäftlichen Angelegenheiten – verreist. Und dann kommt eines Tages ein Schiff des Königs, befehligt von dem Sohn eines Mannes, der mir einst sehr nahestand, und plötzlich ist alles verändert.« Er hielt ihm den Brief hin. »Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.«
    Stockdale betrachtete Bolitho neugierig, als er die Bibliothek ve rließ. »Alles erledigt, Sir?«
    Bolitho hielt inne, weil sich eine andere Tür öffnete und er Mrs.
    Egmont dastehen sah. Sie sagte nichts und lächelte nicht einmal, sondern schaute ihn lediglich an – als ob sie sich etwas Unbekanntem ausliefere, dachte Bolitho. Dann bewegte sich ihre Hand und hob sich einen Augenblick an ihre Brust. Bolitho fühlte, daß sein Herz so heftig schlug, als wollte es sich zu ihrer Hand drängen.
    Die Tür schloß sich, und Bolitho glaubte fast, er habe sich alles nur eingebildet oder der Wein sei zu stark gewesen. Als er aber Stockdales Gesicht sah, wußte er, daß es kein Trugbild gewesen war.
    »Wir kehren besser zum Schiff zurück, Stockdale.«
    Stockdale folgte ihm hinaus ins Sonnenlicht. Keinen Augenblick zu früh, dachte er.
    Es war Dämmerung, als das Boot, das sie von der Landungsbrücke abgeholt hatte, an den Rüsteisen festmachte. Bolitho kletterte zur Fallreepspforte hinauf, mit seinen Gedanken noch bei der wunderschönen Frau im weißen Gewand.
    Rhodes wartete auf ihn mit den Fallreepsgasten und flüsterte ihm schnell zu: »Der Erste Offizier erwartet Sie, Dick.«
    »Kommen Sie nach achtern, Mr. Bolitho!« Pallisers brüsker Ton brachte Rhodes zum Schweigen, bevor er mehr sagen konnte.
    Bolitho kletterte zum Achterdeck hinauf und berührte seinen Hut.
    »Sir?«
    Palliser fuhr ihn an: »Ich warte schon eine Ewigkeit auf Sie!«
    »Ja, Sir. Aber ich hatte einen Auftrag des Kommandanten.«
    »Das hat ja lange Zeit in Anspruch genommen!«
    Bolitho unterdrückte mit Mühe seinen aufsteigenden Ärger. Was er auch tat oder zu tun versuchte, Palliser war nie zufrieden.
    Er sagte ruhig: »Gewiß, Sir. Und jetzt bin ich hier.«
    Palliser starrte ihn an, als vermute er hinter seinen Worten eine Unverschämtheit. Dann sagte er: »Während Ihrer Abwesenheit hat der Wachtmeister auf meine Anordnung hin einige Wohnräume der Mannschaft durchsucht.« Erwartete auf eine Reaktion Bolithos. »Ich weiß zwar nicht, welche Art Disziplin Sie in Ihrer Division einzuführen versuchen, aber lassen Sie mich Ihnen versichern, daß es mehr als der Bestechung mit Schnaps und Wein bedarf, um etwas zu erreichen. Mr. Jurys Uhr wurde im Besitz eines Ihrer Männer vom Großmast gefunden. Murray heißt der Mann. Was sagen Sie nun?«
    Bolitho sah Palliser ungläubig an. Murray hatte Jury das Leben gerettet. Ohne sein schnelles Handeln in jener Nacht an Deck der Hel o i s e wäre der Midshipman jetzt tot gewesen. Und wenn Jury nicht ihm, Bolitho, den Degen zugeworfen hätte, um seinen verlorenen Säbel zu ersetzen, wäre auch er selbst jetzt eine Leiche. Das hatte sie miteinander verbunden, ohne daß einer davon gesprochen hätte.
    Er protestierte: »Murray ist ein guter Mann, Sir. Ich kann nicht glauben, daß er ein Dieb sein soll.«
    »Ich bin mir aber ganz sicher. Sie müssen eben noch eine Menge lernen, Mr. Bolitho. Männer wie Murray würden niemals einen Kameraden bestehlen, aber ein Offizier, selbst ein kleiner Kadett, ist für sie Freiwild.« Mit einiger Anstrengung dämpfte er seine Stimme. »Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Mr. Jury hatte die Kühnheit, die unglaubliche Frechheit, mir zu sagen, er habe die Uhr Murray gegeben, als Geschenk! Das können doch selbst Sie nicht glauben!«
    »Ich glaube, er sagte das, um Murray zu retten, Sir. Es war falsch, aber ich kann es verstehen.«
    »Das habe ich mir gedacht.« Palliser beugte sich vor. »Ich werde dafür sorgen, daß Mr. Jury ausgeschifft wird und eine Rückfahrkarte nach England bekommt, sobald wir mit einer höheren Autorität zusammentreffen. Was halten Sie davon?«
    Bolitho antwortete hitzig: »Ich glaube, da handeln Sie unfair.« Er fühlte, wie sein Ärger verzweifeltem Zorn Platz machte. Palliser hatte mehrfach versucht, ihn zu provozieren, aber diesmal war er zu weit gegangen. Er sagte: »Wenn Sie versuchen, über Mr. Jury mich zu treffen, werden Sie sicherlich Erfolg haben. Aber das zu erwägen, obwohl Sie genau wissen, daß er keine Familie hat und mit

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