Kanonenfutter
sich an andere zu hängen. »Heldenverehrung« hatte der Kommandant es genannt.
Bolitho seufzte und begab sich in die Messe. Als er eintrat, schaute Rhodes ihn fragend an.
Bolitho zuckte die Schultern. »Es war nicht leicht.«
»Das ist es nie.« Rhodes grinste und schnupperte wieder. »Wir we rden etwas später essen, aber mir scheint, das Warten lohnt.«
Bolitho nahm Poad ein Glas Wein ab und setzte sich in einen Ar mstuhl. Rhodes’ Rezept war einfacher, dachte er: Lebe für das Heute und sorge dich nicht um das Morgen, auf diese Weise kann dich nichts verletzen. Aber dann dachte er an Jurys verzagtes Gesicht und wußte, daß das nicht stimmte.
Im Zwiespalt
Zwei weitere Tage vergingen ohne ein Anzeichen, daß der portugiesische Vizekönig zurückgekehrt war oder beabsichtigte, Dumaresq zu empfangen.
Unter der unbarmherzigen Sonne fast zerfließend, erledigten die Seeleute ihre tägliche Arbeit recht unlustig. Die Stimmung war allgemein gereizt, Streitigkeiten flammten leicht auf, und bei verschiedenen Anlässen wurden Leute nach achtern zur Bestrafung gebracht.
Wenn Dumaresq an Deck kam, schien er mit jedem von der Schiffsglocke angezeigten Wachwechsel ärgerlicher und unduldsamer zu werden. Ein Matrose bekam Strafarbeiten allein deshalb, weil er ihn angestarrt hatte, und Midshipman Ingrave, der als sein Schreiber eingesprungen war, wurde mit der Bemerkung: »Zu dämlich, um eine Feder zu halten«, die noch lange in seinen Ohren nachklang, zurück zu seinem normalen Dienst an Deck geschickt.
Selbst Bolitho, der wenig Erfahrung mit den Gepflogenheiten in ausländischen Häfen hatte, fiel die der Destin y auf gezwungene Isolierung auf. Ein paar Boote mit allerlei Handelswaren lungerten zwar voller Hoffnung auf Geschäfte um das Schiff herum, wurden aber von den aufmerksamen Wachbooten am Herankommen gehindert. Und ganz gewiß war, daß keine Nachricht von dem Mann namens Egmont kam.
Samuel Codd, der Zahlmeister, war nach achtern marschiert, um sich darüber zu beklagen, daß es ihm unmöglich sei, seine Vorräte an frischem Obst zu ergänzen. Das halbe Schiff mußte mit angehört haben, wie Dumaresqs Zorn sich sturzbachartig über ihn ergoß.
»Für was halten Sie mich eigentlich, Sie Geizkragen? Glauben Sie, ich habe nichts anderes zu tun als zu kaufen und zu verkaufen wie ein ambulanter Gemüsehändler? Nehmen Sie ein Boot und gehen Sie selber an Land, aber sagen Sie dem Kaufmann diesmal, die Vorräte seien für mich bestimmt!« Seine mächtige Stimme folgte Codd noch, als der längst die Kajüte verlassen hatte: »Und kommen Sie mir nicht mit leeren Händen zurück!«
Nur in der Offiziersmesse war die Stimmung kaum verändert. Es gab den üblichen Klatsch und aufgebauschte Berichte über die Ereignisse während der Tagesarbeit. Nur wenn Palliser erschien, wurde das Klima förmlich, fast frostig.
Bolitho hatte sich Murray kommen lassen und ihm die Beschuldigung, ein Dieb zu sein, eindringlich vor Augen gehalten. Murray hatte entschlossen verneint, irgend etwas mit der Angelegenheit zu tun zu haben, und Bolitho gebeten, für ihn einzutreten. Bolitho war von dem Ernst des Mannes beeindruckt. Murray war über die Aussicht auf eine zu unrecht erlassene Prügelstrafe weniger verängstigt als empört. Aber die Strafe war nicht mehr abzuwenden, wenn der wahre Dieb nicht gefunden werden konnte.
Poynter, der Oberwachtmeister, blieb unerbittlich. Er hatte die Uhr in Murrays Utensilienkasten bei einer kurzen Durchsuchung entdeckt. Jeder konnte sie da versteckt haben, aber aus welchem Grund? Es hatte festgestanden, daß etwas unternommen werden würde, um die verschwundene Uhr wiederzufinden. Ein vorsichtiger Dieb hätte hundert Möglichkeiten gehabt, sie an einem sicheren Ort zu verstecken. Aber so? Die Sache ergab keinen Sinn.
Am Abend des zweiten Tages kam die Helois e in Sicht. Sie näherte sich langsam der Küste. Ihre Segel schimmerten im scheidenden So nnenlicht, als sie einen letzten Schlag in Richtung Hafeneinfahrt mac hte.
Dumaresq beobachtete sie durch sein Teleskop und brummte: »Braucht ja endlos! Da muß er sich schon etwas mehr anstrengen, wenn er befördert werden will!«
Rhodes sagte: »Haben Sie es bemerkt, Dick? Die Trinkwasserprähme sind nicht wie versprochen gekommen. Unser Vorrat muß ziemlich zu Ende sein. Kein Wunder, daß unser ›Herr und Meister‹ vor Zorn rot anläuft.«
Bolitho erinnerte sich an Dumaresqs Worte, daß die Destiny am Tag nach ihrer Ankunft Frischwasser
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