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Kanonenfutter

Kanonenfutter

Titel: Kanonenfutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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»So etwas darfst du nicht sagen!«
    »Mein älterer Bruder ist der Lieblingssohn meines Vaters, ist es immer gewesen.« Es war eigenartig, daß er dies jetzt ohne jede Bitter keit sagen konnte. »Er kann die Tradition aufrechterhalten. Ich wü nsche mir nur dich, weil ich dich liebe.«
    Er sagte es so heftig, daß sie sichtlich erschrak. Sie griff sich an die Brust, und ihr heftiger Atem strafte ihre äußere Gelassenheit Lügen.
    »Das ist doch Wahnsinn! Ich weiß alles über dich, aber du weißt überhaupt nichts von mir. Was wäre das für ein Leben für dich, zuzusehen, wie ich immer älter werde und du dich zurücksehnst nach der See, nach den Chancen, auf die du meinetwegen so unüberlegt ve rzichtet hättest.« Sie legte ihm eine Hand auf die Stirn. »Es ist wie ein Fieber, Richard. Kämpfe dagegen an, sonst ve rzehrt es uns beide.« Bolitho wandte das Gesicht ab; seine Augen brannten, als er sagte: »Ich könnte dich glücklich machen, Aurora!«
    Sie streichelte seine Arme in dem Versuch, seine Verzweiflung zu lindern.
    »Daran habe ich nie gezweifelt. Aber zum Leben gehört mehr als das, glaub mir.« Sie rückte etwas von ihm ab, und ihr Körper wiegte sich dabei im Einklang mit den sanften Bewegungen des Schiffes.
    »Ich habe dir schon einmal gesagt, daß ich dich lieben könnte. In den vergangenen Tagen und Nächten habe ich dich beobachtet, dich berührt. Meine Gedanken waren oft sündhaft, mein Verlangen war größer, als ich zuzugeben wage.« Sie schüttelte den Kopf. »Bitte schau mich nicht so an. Vielleicht war diese Reise nach allem, was geschehen ist, zu lang, und die Trennung morgen kommt zu spät. Ich weiß selber nicht mehr aus noch ein.«
    Sie wandte sich ab; ihr Gesicht lag im Schatten, als sie, von den salzüberkrusteten Heckfenstern umrahmt, mit hängenden Armen dastand.
    »Ich werde dich nie vergessen, Richard, und mir später wahrscheinlich Vorwürfe machen, daß ich dein Angebot ausschlug. Aber ich bitte dich um deine Hilfe dabei, allein schaffe ich es nicht.«
    Macmillan brachte das Abendessen für Bolitho; er sagte: »Verzeihung, Madam, aber der Kommandant und seine Offiziere lassen höflich sagen, ob Sie ihnen die Ehre geben würden, mit ihnen zu speisen. Es wäre heute das letzte Mal, sozusagen.«
    Macmillan war eigentlich schon zu alt für seine Arbeit. Er diente seinem Kapitän wie ein angesehenes Faktotum der Familie. Von der Spannung im Raum schien er nichts zu merken, auch nicht die Ge zwungenheit, mit der sie heiser erwiderte: »Es wird mir eine Ehre sein.« Noch sah er die Verzweiflung im Gesicht des Leutnants, als Aurora zum abgetrennten Teil der Kajüte ging, in dem sich ihre Zofe die meiste Zeit des Tages aufhielt.
    Unterwegs sagte sie: »Dem Leutnant geht es schon besser. Er wird es schaffen.« Sie wandte sich endgültig ab, und ihre Worte waren kaum noch zu verstehen: »Aus eigener Kraft.«
    Mit Hilfe von Bulkley, der ihn am Ellbogen stützte, wagte sich Bolitho aufs Achterdeck und schaute von dort über die ganze Länge des Schiffes nach vorn zum Land.
    Die brennende Mittagssonne brachte ihm zu Bewußtsein, wie schwach er noch war. Er sah die Matrosen mit nacktem Oberkörper geschäftig an Deck hin und her eilen; andere standen breitbeinig auf den Fußpferden der Rahen und machten Segel fest, die kurz vor dem Ankern nicht mehr benötigt wurden. Er fühlte sich verloren, nicht mehr dazugehörig in einer Weise, wie er es noch nie erlebt hatte.
    Bulkley sagte: »Ich bin schon einmal in Saint Christopher gewesen.« Er zeigte auf die nächstgelegene Landzunge mit ihrem weiten weißen Strandbogen. »Das ist Bluff Point. Dahinter liegt Basseterre mit dem Hauptankerplatz, dort wird es eine Menge englischer Kriegsschiffe geben. Und bestimmt irgendeinen unbedarften Flaggoffizier, der darauf bestehen wird, unserem Kommandanten zu sagen, was er tun soll.«
    Einige Seesoldaten marschierten heftig schnaufend nach achtern. Bolitho hielt sich an den Netzen fest und betrachtete das Land. Es war nur eine kleine Insel, aber ein wichtiges Glied in der Kette des britischen Herrschaftsbereichs. Zu anderer Zeit wäre er über seinen ersten Besuch hier begeistert gewesen, aber jetzt starrte er auf die nickenden Palmen, auf die Eingeborenenboote, und sah nur das darin, was es für ihn bedeutete: daß sie sich hier trennen mußten. Was ihm die Zukunft auch bringen würde, hier endete die Beziehung zwischen Aurora und ihm. An der Art, wie Rhodes und die anderen das Thema gemieden hatten, erkannte

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