Kanonenfutter
ziehen Sie sich um.« Ihm fiel noch etwas ein: »Sie kö nnen Ihren Hut ja unter dem Arm tragen.«
Bulkley sah ihm nach und explodierte: »Den soll einer verstehen! Bei Gott, Richard, falls Sie sich noch nicht kräftig genug dafür fühlen, werde ich verlangen, daß Sie an Bord bleiben. Der junge Stephen kann an Ihrer Stelle gehen.«
Bolitho wollte mit einem Kopfschütteln antworten, doch bei der Bewegung durchzuckte ihn Schmerz.
»Es geht schon. Aber vielen Dank.« Er ging zum Niedergang und setzte noch hinzu: »Es gibt wohl einen besonderen Grund, weshalb er gerade mich mitnehmen will.«
Bulkley nickte. »Sie lernen unseren Kommandanten langsam kennen, Richard. Er tut nie etwas absichtslos, bietet nie eine Guinee, wenn sie ihm nicht zwei wieder einbringt.« Er seufzte. »Aber der Gedanke, den Dienst unter ihm zu quittieren, ist noch schlimmer, als seine Absonderlichkeiten zu ertragen. Das Leben wird einen langwe ilig anmuten, nachdem man unter Dumaresq gedient hat.«
Es wurde fast Abend, bevor Dumaresq beschloß, an Land zu gehen. Er hatte Colpoys mit einem Brief, der seinen Besuch ankündigte, ins Haus des Gouverneurs geschickt, doch als der Leutnant der Seesoldaten zurückkam, hatte er gemeldet, daß nur der stellvertretende Go uverneur anwesend sei.
»Hoffentlich wird das nicht ein zweites Rio«, hatte Dumaresq ärgerlich bemerkt.
Jetzt saß er in der Kommandantengig, den Blick fest aufs Ufer gerichtet, den Säbel zwischen die Knie geklemmt. Die kühlere Abendluft machte die Fahrt einigermaßen erträglich.
Bolitho saß neben ihm. Sein Bemühen, Schmerz und Schwindelanfälle zu unterdrücken, trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Er ko nzentrierte sich auf die vor Anker liegenden Schiffe und das Kommen und Gehen der Boote der Destiny , die Verwundete und Kranke an Land brachten und mit Vorräten für den Zahlmeister beladen zurückkehrten.
Plötzlich sagte Dumaresq: »Etwas mehr nach Steuerbord, Johns.« Der Bootssteurer blinzelte nicht einmal, sondern legte die Pinne in die entsprechende Richtung. Aus dem Mundwinkel murmelte er: »Jetzt sehen Sie ihn besser, Sir.«
Dumaresq stieß Bolitho mit dem Ellenbogen an. »Er ist ein Schelm, nicht wahr? Kennt meine Gedanken früher als ich.«
Bolitho beobachtete den vor Anker liegenden Spanier, der sich turmhoch über ihnen erhob. Er sah mehr nach einem Linienschiff vierten Grades aus als nach einer Fregatte: zwar alt, mit sorgsam geschnitztem und vergoldetem Zierrat um Heck und Kajütfenster, aber gut in Schuß und gefechtsklar gehalten, was selten war bei einem spanischen Schiff. Dumaresq dachte wohl ebenso; er murmelte: »Die San Augustin. Das ist kein Lokalheiliger von La Guaira oder Porto Bello. Sie kommt aus Cadiz oder Algeciras, vermute ich.«
»Macht das einen Unterschied, Sir?«
Dumaresq drehte sich ärgerlich zu Bolitho um, unterdrückte die Aufwallung aber ebenso schnell wieder.
»Ich bin kein guter Kamerad. Nach dem, was Sie gelitten haben, schulde ich Ihnen zumindest Höflichkeit.« Er betrachtete das fremde Schiff mit so fachlichem Interesse, wie Stockdale seine Geschützbedienungen studiert hatte. »Vierundvierzig Kanonen, mindestens.« Dann schien er sich an Bolithos Frage zu erinnern. »Könnte möglich sein. Vor einigen Monaten gab es noch ein Geheimnis; die Dons hatten lediglich einen Verdacht, daß Spuren vom verlorenen Schatz der Asturias aufgetaucht seien. Jetzt sche inen sie mehr als nur einen Ve rdacht zu haben. Die San Augustin ist hier, um die Destiny zu bespitzeln und zu verhüten, daß Seine Katholische Majestät ungnädig wird, weil wir unsere Erkenntnisse nicht teilen.« Er lächelte grimmig. »Aber genau dafür werden wir sorgen. Ich bezweifle nicht, daß wir von einem Dutzend Teleskopen beobachtet werden, schauen Sie also nicht mehr hin. Sollen sie sich doch über uns die Köpfe zerbrechen.«
Als der Landungssteg nur noch fünfzig Yards entfernt war, sagte Dumaresq: »Ich habe Sie mitgenommen, damit der Gouverneur Ihre Verwundung sieht. Sie beweist am besten, daß wir uns für die Lords der Admiralität voll einsetzen. Niemand hier braucht zu wissen, daß Sie eine solch ehrenvolle Wunde davontrugen, als Sie nach Wasser suchten.«
Eine kleine Gruppe, darunter einige Rotröcke, erwartete das Boot, um es an den Landesteg zu dirigieren. Es war immer das gleiche: Alle warteten auf Neuigkeiten aus England, auf ein Wort aus dem Land, das sie so weit in die Ferne geschickt hatte, damit sie den kostbaren Kontakt zur Heimat
Weitere Kostenlose Bücher