Kantaki 01 - Diamant
Reaktoren und Bordsysteme die Grenzen der Belastbarkeit. Noch schneller sondierte und untersuchte sie die Fäden, deren Zahl rapide schrumpfte. Aus unendlichen Möglichkeiten wurden endliche, und dann …
Ein Planet, der sich gut anfühlte, nicht zu weit entfernt …
In der Ferne flüsterte etwas, vielleicht die Stimme des Abissalen. Das Wispern erzählte von einem uralten Konflikt …
Lidia gab dem Drängen des Schiffes nach, stellte eine Verbindung mit dem Faden her und spürte, wie sich die Flugrichtung änderte.
Ein erstes, noch sehr subtiles Zittern warnte Lidia, aber da war es bereits zu spät.
Die nichtlineare Zeit!, dachte sie erschrocken. Der Faden führt in die nichtlineare Zeit!
»Falsch, falsch!«, rief Lidia und presste die Hände fester in die Sensormulden, als könnte sie auf diese Weise einen noch innigeren Kontakt mit dem Schiff herstellen, obwohl es bereits Teil von ihr war. Sie versuchte, den Faden – den falschen, grässlichen, gefährlichen Faden – vom Schiff zu lösen, aber die zuckende Schlange gab es nicht mehr frei, nachdem sie ein Opfer gefunden hatte. Sie hielt das Kantaki-Schiff fest, zog es durch den Transraum, näher zum Ziel …
Der Transit fand ein abruptes Ende, und Lidia riss entsetzt die Augen auf, als aus dem subtilen Zittern heftige Erschütterungen wurden, die das ganze Kantaki-Schiff und auch die Transportblase erfassten. Die Projektionslinsen an den gewölbten Wänden zeigten einen Planeten, der aussah wie eine für Menschen geeignete Welt: blaue Meere, große Kontinente, braun und grün, weiße Wolken, wie Schleier vor dem planetaren Antlitz. Alles wirkte normal, auch die ferne Sonne, die samtene Schwärze des Alls, die Sterne. Aber Lidia wusste, wie sehr dieser Eindruck täuschte. Die dimensionalen Strukturen waren nicht richtig.
Dies ist das falsche Universum, dachte sie, während das Kantaki-Schiff dem Planeten entgegenstürzte. Es ist ein Kosmos der Möglichkeiten, eine Welt der Potenzialitäten. Ein Universum, das nicht real war und doch zu der übergeordneten Realität gehörte, die man im Sakrium sehen konnte.
Dies war das Mündungsdelta des Zeitstroms, ein Bereich mit zahllosen unterschiedlichen Strömungen, Tümpeln und Sümpfen.
Die nichtlineare Zeit …
Alle Piloten fürchteten sich davor, denn nur selten gab es einen Weg zurück.
Lidia streckte ihre mentalen Arme aus und tastete verzweifelt nach einem Faden, nach irgendeinem Faden. Nur weg von hier – das Wohin spielte jetzt eine untergeordnete Rolle. Aber ganz gleich, wo die Hände ihrer Gabe suchten, sie berührten nichts, strichen immer wieder durch Leere. Einmal mehr erinnerte sich Lidia an Joan, an die alte, greise Joan, die so viele Jahre an Einsamkeit gelitten und den Abissalen gesehen hatte. Stand ihr ein ähnliches Schicksal bevor?
Das Schiff litt. Die Wahrnehmung des Metaselbst übersetzte die von den Sensoren übermittelten alarmierenden Daten in Schmerzen. Es kam zu einem energetischen Kollaps in den Bordsystemen, und Lidia begriff, dass der Schutz des Schiffes oberste Priorität hatte. Darauf konzentrierte sie sich nun, auf die Steuerung im Normalraum. Sie nahm die restliche Energie und leitete sie in das für interplanetare Flüge bestimmte Triebwerk.
Die Erschütterungen nahmen zu, als das Kantaki-Schiff mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch die obersten Schichten der Atmosphäre raste. Lidia breitete metaphorische Schwingen aus – die Datenservi empfingen ihre Signale und aktivierten daraufhin die Manövriertriebwerke, um den Kurs des Schiffes zu ändern – und fühlte, wie das Schiff viel träger als sonst reagierte.
Die Transportblase platzte.
Lidia konnte es nicht verhindern.
Die große Blase, die das Kantaki-Schiff hinter sich her zog, war solchen Belastungen nicht gewachsen. Das Gespinst zerriss. Passagierkapseln und Frachtmodule lösten sich von den Monofaser-Leinen, trudelten fort. Die Reibungshitze beim Eintritt in die Atmosphäre verwandelte sie in kurzlebige Kometen.
Menschen starben. Und auch die Angehörigen anderer Völker. Mit ihnen endeten Hoffnungen und Träume.
Grauen kroch durch Lidias Denken und Fühlen.
Der Koloss des Kantaki-Schiffes schüttelte sich erneut, aber Lidias Schwingen bremsten ihn weiter ab, und die Erschütterungen wurden schwächer. Noch immer übermittelten die Sensoren Daten weit jenseits der Norm, doch Lidia spürte, dass sie das Schiff wieder unter Kontrolle bekam.
»Lande«, klickte Mutter Krir. »Bring uns zu einem sicheren Ort,
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