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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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sie nach ersten Fäden und fühlte die Verbindungsstrukturen, die Ziele. Falsch, falsch. Dieser Faden führt zu einem Schwarzen Loch, der dort zu einem Roten Riesen, der sich anschickt, die inneren Planeten seines Sonnensystems zu verschlingen. Lidia setzte die Suche fort, aber wohin auch immer sie ihre mentalen Hände ausstreckte, überall fand sie falsche Wege durch den Transraum: Neutronensterne, Dunkelwolken, ferne Galaxien und nahe Anomalien, tote Welten und weit entfernte Planeten mit exotischem Leben.
    Erste Warnsignale erreichten Lidia. Das Schiff brauchte einen Weg, ein Ziel für den Flug durch den Transraum. Der blinde Transit konnte nicht mehr lange fortgesetzt werden, und wenn eine unkontrollierte Rückkehr in den Normalraum erfolgte, ließ sich nicht vorhersagen, wo der Kontratransit stattfand – vielleicht im nuklearen Feuer einer Sonne. Lidias Gedanken glitten kurz zu den tausenden von Passagieren in der Transportblase, und das Gewicht der Verantwortung lastete schwer auf Herz und Seele. Dann verdrängte sie dieses Empfinden genauso wie vorher die Gedanken an Floyd. Sie musste sich ganz auf ihre Aufgabe konzentrieren.
    Sie nahm ihre Kraft zusammen und erinnerte sich an all die Dinge, die sie auf Tintiran von Hrrlgrid und während der Flüge von Floyd gelernt hatte, griff mit diesem Wissen erneut in den Transraum und tastete nach den Fäden, die ohne Zahl und ohne Ende waren. Braune Zwerge, Dimensionsrisse, Singularitäten mit komprimierter Zeit und inflationärem Raum. Nichts passte, nichts stimmte. Die Zeit wurde knapp an diesem Ort ohne Zeit. Das Schiff brauchte Orientierung …
    Etwas Dunkles zog durch den Raum, dunkler als ein Kantaki-Schiff, dunkler als die leeren Universen ohne Sterne, ein Etwas, das aus der Jugend des Plurials kam, aus seiner Kindheit.
    Der Abissale?
    In einer anderen Zeit. Weit, weit vom Jetzt entfernt. Und doch …
    »Mehr Energie«, sagte Lidia laut, ohne in ihrer Konzentration nachzulassen. »Geben Sie mir mehr Energie.«
    Die Akuhaschi im Pilotendom reagierten sofort, erhöhten das energetische Niveau der Reaktoren und leiteten mehr Energie in die Bordsysteme. Lidia spürte es in Form einer gesteigerten Vitalität im Körper des Schiffes, dessen Flug durch den Transraum sich stabilisierte. Trotzdem: Lidia wusste, dass sie nur eine kleine Atempause gewonnen hatte. Sie begriff die Aussichtslosigkeit der Suche nach dem Faden, der nach Umkah führt; er hatte sich längst in den hyperdimensionalen Gespinsten verloren. Sie brauchte ein alternatives Ziel, einen Faden, der zu einem geeigneten Planeten führte, einer Welt in der linearen Zeit und nach Möglichkeit innerhalb des von Menschen besiedelten Alls – sie durfte die Passagiere in der Transportkapsel nicht unberücksichtigt lassen.
    Es klickte in ihrer Nähe, und dann ertönte eine Stimme. »Sei ganz ruhig, Kind. Ich trauere um Floyd, der mir gute Dienste geleistet hat, und ich trauere auch um dich, Diamant, denn der Übergang hätte sanfter sein sollen. Ich vertraue dir. Du wirst es schaffen.«
    Lidia schloss die Augen und sah Mutter Krir, deren Erscheinungsbild sie jetzt nicht mehr so sehr an eine Gottesanbeterin erinnerte wie zu Anfang. Sie hatte inzwischen gelernt, viele subtile Unterschiede zu erkennen, und was noch wichtiger war: Ihr Blick ging längst über die äußere Erscheinung hinaus. Sie sah kein insektenhaftes Wesen, sondern eine weise, uralte Entität.
    Mit neuer Entschlossenheit konzentrierte sie sich, ließ ihr Ich erneut zu einem Metaselbst anschwellen, das das ganze Schiff umfasste. Rasend schnell tastete sie nach den Fäden, prüfte einen, griff nach dem nächsten, prüfte wieder.
    Das Gespinst, durch das Mutter Krirs Schiff im Transraum flog, wurde dünner. Lidia spürte deutlich, wie sich leere Stellen ausdehnten, wie die Dunkelheit des Nichts an den hellen Fäden nagte. Ist es Joan und Juri so ergangen?, dachte sie plötzlich, und jähe Furcht erfasste sie. Sie gerieten in die nichtlineare Zeit …
    »Ganz ruhig«, klickte Mutter Krir. »Sei ganz ruhig. Lass dich nicht ablenken. Du wirst es schaffen.«
    Das Schiff … Solange es sich im Transraum befand, wollte es mit einem Faden verbunden sein, der ihm ein Ziel gab. Ohne eine solche Verbindung wuchs seine Neigung, sich mit irgendeinem Faden zu verbinden, ohne auf die Entscheidung des Piloten zu warten, oder aber in den Normalraum zurückzukehren. Lidia erbat noch mehr Energie, um Mutter Krirs Schiff zu stabilisieren, und damit erreichten Triebwerk,

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