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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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des Verstehens. Leben durchdrang viele Universen so, wie der Geist die Materie durchdrang, und es entwickelte sich schnell. Wo der Geist zuvor Jahrmillionen und Jahrmilliarden auf Ergebnisse gewartet hatte, genügten nun Jahrtausende, Sekundenbruchteile nach den Maßstäben des Plurials. Das Leben erhob sich, kletterte die Leiter der Evolution empor und begann damit, über sich selbst nachzudenken, über den Sinn der eigenen Existenz. Damit wurde es zum perfekten Werkzeug für die Suche nach Erkenntnis. Das Leben stellte Fragen und fand Antworten, aus denen sich neue Fragen ergaben. Die ungeheure Vielfalt der materiellen Entwicklung wiederholte sich bei der biologischen, und wieder wurde jeder mögliche Weg der Evolution beschritten. Das Ergebnis bestand aus immer komplexer werdenden Organismen, die ihrerseits immer komplexere Bewusstseinssysteme hervorbrachten. Je komplizierter diese Systeme, desto komplizierter die Fragen und Antworten. Der Geist, der in jedem Atom des Plurials wohnte, auch in den kalten Kosmen ohne Leben, erlebte eine starke Beschleunigung der Entwicklung, vergleichbar mit der Ausdehnung mancher Universen, die im Laufe der Zeit immer schneller voranschritt, weil es in ihnen eine Kraft gab, die der der Gravitation entgegenwirkte. Die Kraft, die den Kosmos der Erkenntnis immer schneller ausdehnte, hieß Intelligenz.
    Das Wachsen führte zu Sternen und Galaxien, die Reife zur Entstehung von Leben. Und die Intelligenz, eine Funktion des Lebens, ermöglichte Verstehen, die Essenz der Vierten Ära. Und das fünfte Große Kosmische Zeitalter …
     
    »Die Fünfte Ära ist die letzte«, klickte Mutter Krir, als sie durch die Korridore des Schiffes gingen. »Mit ihr schließt sich der Große Kreis: Der Geist, mit dem alles begann, kehrt zu sich selbst zurück, indem die Materie Vergeistigung erfährt. Dieses fünfte Große Kosmische Zeitalter steht nun unmittelbar bevor.«
    Lidia ging an der Seite der Kantaki, fühlte sich ausgeruht und frisch. Mehrere Tage hatte sie bei Mutter Krirs ungeborenen Kindern geschlafen und geträumt, nach dem Erwachen eine stärkende Mahlzeit eingenommen und versucht, ihre Gedanken zu ordnen. Sie spürte keine innere Unruhe, hervorgerufen von Dingen, die verarbeitet werden mussten – obwohl es solche Dinge zweifellos gab. Stattdessen fühlte sie sich enorm bereichert.
    »Fünf Kinder …«, sagte sie leise und erwiderte den Gruß einiger Akuhaschi, die ihnen entgegenkamen. Inzwischen befanden sie sich wieder in dem Bereich des Schiffes, der nicht allein Mutter Krir vorbehalten blieb.
    »Eines für jede Ära«, klickte die Kantaki. Sie drehte den Kopf und sah aus ihren multiplen Augen auf die Pilotin hinab.
    »Bringt ihre Geburt den Wechsel?«, fragte Lidia. »Beginnt damit das Fünfte Zeitalter?«
    »O nein.« Das Klicken veränderte sich, und der Linguator machte ein kurzes Lachen daraus. »Meine Kinder und ich sind nicht annähernd so wichtig, dass wir das Ende einer Ära und den Beginn einer anderen bewirken könnten. Das vierte der Großen Kosmischen Zeitalter steht kurz vor der Saturation – darauf deuten die Erfahrungen meines Volkes bei der Meditation im Sakrium hin. Die Fünfte Ära bringt Transzendenz. Es ist die Ära der absoluten Weisheit. Der Geist, mit dem einst alles begann, kehrt zu sich selbst zurück, mit den Antworten auf alle Fragen. Aber sie ist auch die Ära des Letzten Konflikts, und der Geist, der am Anfang stand, muss für ihn bereit sein, denn sonst kann sich der Kreis nicht schließen. Saturation bedeutet nicht Bereitschaft. Der Abissale stellt nach wie vor eine Gefahr dar, und solange er nicht endgültig besiegt ist, muss das Vierte Zeitalter andauern, damit der Geist lernen und sich vorbereiten kann. Wir sind bestrebt, es zu verlängern, und dabei hilft uns der Sakrale Kodex.«
    »Der Abissale?«, wiederholte Lidia interessiert.
    »In seinem Auftrag kamen die Temporalen. Der Zeitkrieg ist zu Ende; wir und die Feyn haben ihn gewonnen, aber die Temporalen existieren nach wie vor. So auch der Abissale. Die nichtlineare Zeit ist sein Werk, Diamant. Wir schaffen Stabilität, er verursacht Chaos. Wir hüten die Zeit, und er zerreißt sie.«
    Sie erreichten den Pilotendom. Mehrere Akuhaschi standen vor den Konsolen an den gewölbten Wänden, und Lidia sah zum Podium mit dem leeren Sessel. Er wartete auf sie. Das Schiff wartete auf sie.
    Fünf Stufen führten hinauf, jede von ihnen Symbol für ein Kosmisches Zeitalter. Es gab Metaphern innerhalb von

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