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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Metaphern, ineinander verschachtelte Sinnbilder, und Lidia verstand nun, fühlte sich dadurch als Teil der Ära des Verstehens.
    Der kondensierte Geist wohnt auch in mir, dachte sie, und diesem Gedanken folgte eine jähe Erkenntnis. Wenn der Geist, mit dem alles begann, auch in ihr existierte, und wenn er das ganze Plurial durchdrang, so konnte er ihr vielleicht den Weg zeigen.
    Sie fühlte Mutter Krirs Blick auf sich ruhen und hob den Kopf, eine stumme Frage in ihrem Gesicht.
    Es klickte. »Wie ich sehe, hast du verstanden, Kind«, sagte die weise Kantaki, und das letzte Worte betonte erneut die besondere Beziehung. »Du bist eine gute Pilotin, Diamant. Du hast ausgeruht und neue Kraft geschöpft. Du hast mit meinen Kindern geträumt. Bring uns jetzt zurück in die lineare Zeit.«
     
    Diesmal blieb Mutter Krir im Pilotendom, und Lidia empfand ihre Präsenz als sehr beruhigend. Sie nahm im Sessel Platz, der sich sofort ihrer Körperform anpasste, schob die Hände in die Sensormulden und erfuhr eine Erweiterung ihres Bewusstseins, sanft und gleichzeitig schnell, ohne ruckartige Übergänge. Wieder reagierte jener Teil ihres Selbst, der elektronisches Flüstern und terabytegroße Datenströme so übersetzte, dass Lidia glaubte, Emotionen zu spüren, zu fühlen.
    Das Schiff, das seit Tagen ohne die steuernden Gedanken eines Piloten durch den Transraum glitt, hatte tatsächlich auf sie gewartet und freute sich über ihre Rückkehr. Lidia glaubte zu spüren, wie ihr Körper sich innerhalb weniger Sekunden ausdehnte, bis er den ganzen Kantaki-Koloss umfasste, und das energetische Brodeln des Triebwerks war der pochende Schlag eines Leben und Kraft spendenden Herzens.
    Etwas berührte sie geistig in dieser Welt: Mutter Krir. Die sanften, zärtlichen Gedanken der alten Kantaki weilten in unmittelbarer Nähe und waren wie ein Schild, der alle negativen Empfindungen von Lidia fern hielt. Sie fühlte sich noch immer ein wenig schuldig, weil sie geschlafen hatte, als die Gedanken des sterbenden Floyd sie riefen. Aber sie trug keine Verantwortung für seinen Tod, und dadurch waren sie in die nichtlineare Zeit geraten. Ein unglücklicher Zufall, ein tragischer Zwischenfall.
    Es gab auch keine Furcht mehr, die ihre Gedanken vergiftete, die zu Hast führte und damit zu Fehlern verleitete. Ruhe breitete sich aus, und Lidia sah ein Bild: eine stille See, silbrig glänzendes Wasser, das bis zum Horizont und darüber hinaus reichte, fast unbewegt; und darüber die helle Scheibe eines Vollmonds. Lidia wusste dieses Bild sofort zu deuten. Sie selbst war das Meer, und das Licht stammte von Mutter Krir.
    Du lernst schnell, Kind, und deine Gabe ist groß, ertönte die mentale Stimme der Kantaki. Du wirst mir noch lange gute Dienste leisten als Pilotin meines Schiffes. Den Worten folgte eine mentale Geste, ein kurzes geistiges Streicheln.
    Mutter Krir, sagte Lidia, der plötzlich etwas einfiel, warum fliegen Kantaki ihre Schiffe nicht selbst? Warum brauchen sie die Hilfe von Piloten?
    Oh, wir können unsere Schiffe selbst fliegen, und zu Anfang haben wir das auch getan, noch während der Dritten Ära.
    Während der Dritten Ära?, wiederholte Lidia erstaunt. So alt ist Ihr Volk?
    Weißt du, Diamant, die Zeit hat für uns immer eine andere Rolle gespielt als für die übrigen intelligenten Geschöpfe, die das Universum mit uns teilen. Und was bedeutet Alter, wenn man so langlebig ist wie wir? Ja, wir könnten unsere Schiffe selbst fliegen, so wie damals, aber dann hätten wir weniger Gelegenheit zur Meditation im Sakrium, und die Meditation ist unser Leben. Die Piloten helfen uns, dem Geist näher zu sein, der einst zu Materie kondensierte und alles schuf.
    Gibt es ihn auch hier, in der nichtlinearen Zeit?
    Der Geist ist überall, auch hier, denn die nichtlineare Zeit gehört zum Plurial. Und weil das so ist, weil der Geist auch hier weilt, kann man seine Stimme hören, wenn man weiß, wonach es zu lauschen gilt.
    Lidia verstand den Hinweise, konzentrierte sich auf die Sensoren, die ihr ein technisches, physikalisches Bild vom Transraum zeigten, und ihre von der Gabe erweiterten Sinne. Sie horchte in die Hyperdimension, auf der Suche nach einem Flüstern, einem Raunen vielleicht vom Anbeginn allen Seins.
    Sie fand etwas, das sie sehr erstaunte.
    Immer wieder flog das Schiff an Fäden vorbei, und wenn Lidia die mentalen Hände danach ausstreckte und sie berührte, so vernahm sie etwas, wie die Vibration einer Saite. Sie begriff nun, dass sie

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