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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Portal handelte: Die Dunkelheit darin hatte eine andere Textur als die der Wände, und irgendwie gelang es ihr, dunkel zu bleiben und gleichzeitig genug Licht zu emittieren, um es dem menschlichen Auge zu ermöglichen, Einzelheiten im Saal zu erkennen.
    Einige der weiter hinten stehenden Anwesenden sprachen miteinander, aber Valdorian hörte keine Stimmen. Völlige Stille herrschte, eine Art von Lautlosigkeit, die immer mehr Gewicht zu bekommen schien, je länger sie dauerte. Er hatte das Gefühl, dass sich sein Körper von ganz allein bewegte, ohne die Befehle des Gehirns abzuwarten, angezogen von etwas, das er spürte, noch bevor die Sinne darauf reagieren konnten. Valdorian ging einfach durch die vor ihm stehenden Personen hindurch, die nichts weiter waren als Schatten einer fernen Vergangenheit, stieg die Treppe des zentralen Podiums empor, näherte sich dem Portal und der Gestalt daneben.
    »Primus?«
    Valdorian verharrte kurz, was ihm nicht leicht fiel; sein Körper verhielt sich wie Eisen in unmittelbarer Nähe eines starken Magneten.
    Jonathan stand einige Stufen weiter unten und starrte aus großen Augen zum Portal und dem Wesen. »Ich … ich glaube, wir sollten uns besser von dem … Etwas dort oben fern halten, Primus.«
    Es ruft mich, dachte Valdorian. Aus irgendeinem Grund ruft es mich. Aber das klang zu dumm, und deshalb sagte er: »Vielleicht finden wir hier eine Möglichkeit, das Labyrinth zu verlassen.«
    Er brachte die letzte Treppenstufe hinter sich, betrat das hohe Podium und spürte Kälte, die aus dem Portal kam. Als er direkt davor stand, hörte er ein dumpfes Seufzen, wie das tiefe, langsame Atmen einer riesenhaften, in den Tiefen der Finsternis verborgenen Kreatur. Pupillen schienen aus der Schwärze zu blicken, doch auf den zweiten Blick erkannte Valdorian sie als winzige Öffnungen in der dunklen Substanz, die das Portal füllte.
    Ein Zeitportal der Temporalen …
    Die kleinen Öffnungen waren Tunnel, die in die Heimat der rätselhaften Fremden führten, in die ferne Vergangenheit, vielleicht auch in andere Dimensionen. Doch irgendetwas teilte Valdorian mit, dass die Tunnel geschlossen waren, alle bis auf einen, und der führt nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. In seine Gegenwart.
    Aufregung brannte wie ein Feuer in Valdorian, und er glaubte, eine Bedeutung zu berühren, die weit über die des Augenblicks hinausging.
    »Jonathan …«
    »Dies gefällt mir noch weniger als der Zeitsturm, Primus.«
    »Begreifen Sie denn nicht, Jonathan? Dies ist das Zentrum der Anomalie: ein Zeitportal. Die Kantaki haben das Labyrinth noch nicht beseitigt, die Anomalie noch nicht in die Raum-Zeit reintegriert, aber das Portal wurde von ihnen unmittelbar nach dem Zeitkrieg isoliert. Sie haben alle Verbindungen unterbrochen, um zu verhindern, dass die Temporalen Verstärkung aus der Vergangenheit bekommen. Aber einen Tunnel übersahen die Kantaki damals, und der verbindet diese Zeit, die letzte Phase des Tausendjährigen Kriegs, mit unserer Gegenwart. Wir können zurück!«
    Der in der Nähe stehende Fremde wandte sich langsam um.
    Ein Temporaler!, dachte Valdorian.
    Das Wesen war humanoid, und ob es Kleidung trug, blieb Spekulationen überlassen: Die Haut, beziehungsweise die Kleidung, bestand aus silbrig glänzenden Schuppen, die sich gegenseitig überlappten, was bei jeder Bewegung ein leises Knistern bewirkte. An einigen Stellen zeigten sich Verdickungen – Gegenstände, Organe? – unter der Haut oder der Kleidung. Die Arme waren lang, wiesen zwei Gelenke auf und endeten in Händen, die nicht mit Fingern ausgestattet waren, sondern mit kleinen Tentakeln. Auch die Beine waren zweigelenkig, und wo Valdorian Füße oder Schuhe erwartete, sah er dunklen Boden. Er wusste nicht, wie weit er seinen Sinnen trauen durfte. Vielleicht war das, was er sah, ein Symbol: Dieser Temporale saß hier fest, seit die Kantaki die Tunnel des Portals geschlossen hatten, bis auf einen.
    »Die anderen sind weg, sie sind alle weg«, hauchte Jonathan hinter ihm.
    Valdorian drehte kurz den Kopf und stellte fest, dass der große Saal leer war. Die vielen Menschen, die sich eben noch darin aufgehalten hatten, existierten nicht mehr, und das Grau des Labyrinths kroch langsam durch den breiten Korridor, tastete wie sich verdichtender Dunst nach den einzelnen Plattformen und quoll langsam über sie hinweg. Valdorian wandte sich wieder dem Temporalen zu. Auf dem dünnen Hals, der knorrig wirkte wie ein alter Baum und den

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