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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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keine silbernen Schuppen bedeckten, ruhte ein Kopf, der aussah wie eine auf der Spitze stehende Pyramide. Nase und Mund – beziehungsweise das, was Valdorian für Nase und Mund hielt – waren nur zwei schmale Striche, umgeben von seltsamen Faltenmustern. Die großen Augen dominierten und waren so schwarz wie die Wände der Pyramide. Nur ein wenig grauweißer Flaum zeigte sich am Schädel, und die davon unbedeckten Stellen wiesen die gleichen Faltenmuster auf, die Mund und Nase umgaben.
    Der Temporale hob die Hand und öffnete sie. Ein Gegenstand ruhte darin.
    »Soll ich das nehmen?«, fragte Valdorian unsicher. »Bieten Sie mir das an?«
    Das Wesen antwortete nicht, hielt die Hand weiterhin geöffnet.
    Valdorian nahm das Objekt aus den Tentakeln und betrachtete es genau: ein kleiner Keil, nicht länger als vier Zentimeter und mit einem Durchmesser von etwa zwei Zentimetern an der dicksten Stelle, halb durchsichtig und silbrig glänzend wie die Schuppen des Temporalen. Der Gegenstand schimmerte wie … wie der vom kleinen Licht umkreiste Diamant in der Schatulle. Valdorian tastete danach und spürte Wärme.
    »Was ist das?«, fragte Valdorian.
    Der ewige Orkan der Anomalie machte sich an diesem Ort nicht mit einem Tosen bemerkbar, wohl aber mit einem immer lauter werdenden Flüstern. Valdorian stellte sich vor, wie er erneut durch das Labyrinth gezerrt und dabei zahllose Male zerrissen wurde, und diese Vorstellung ließ ihn schaudern.
    Jonathan erriet seine Gedanken. »Ich weiß nicht, ob ich es noch einmal ertrage.«
    Valdorian blickte zur Treppe. Das graue Nichts des Labyrinths hatte sie fast erreicht. »Es bleibt nur eines.« Er schloss die Hand um den Keil und trat zum Portal. »Schlimmer als im Labyrinth kann es wohl kaum werden.«
    Jonathan zögerte, doch als die ersten Ausläufer des Zeitnebels ihn schon beinahe berührten, schloss er rasch zu Valdorian auf und blieb neben ihm stehen.
    »Ich hoffe nur, dass wir das Labyrinth nicht ausgerechnet dort verlassen, wo wir hineingeraten sind.«
    »Falls wir es überhaupt verlassen können«, sagte Jonathan.
    Dann traten die beiden Männer in die Schwärze des Portals.
    Valdorian fiel, aber dieser Sturz war ganz anders als der durchs Labyrinth. Nichts zerrte an ihm; nichts versuchte, ihn zu zerreißen. Er glitt durch einen langen, dunklen Tunnel, mit hoher Geschwindigkeit, aber kontrolliert, gesteuert. An einigen Stellen wurde er mit sanftem Nachdruck abgewiesen – Zugänge zu Tunneln, die in die Vergangenheit führten und mit fernem Licht lockten, ohne Einzelheiten preiszugeben. Einer aber nahm ihn auf, und das ferne Licht in ihm kam näher. Es …
     … explodierte regelrecht um ihn herum, und für eine nicht messbare Zeitspanne schwebte Valdorian in einer Sphäre, die aus tausenden oder gar Millionen von verschiedenen Orten bestand. Er sah sie wie kleine Fenster an den Wänden der Kugel, in deren Inneren er sich befand.
    Das Empfinden von Wärme veranlasste ihn, die Hand zu öffnen. Der Keil, den er von dem Temporalen bekommen hatte, glühte und vibrierte. Als er ihn hob, sich seiner Existenz sehr bewusst, bekam das Durcheinander aus Bildern plötzlich einen Sinn, und er erkannte Struktur darin, eine klare, übersichtliche Systematik.
    »Jonathan!« Sein Sekretär schwebte dicht bei ihm. »Das Objekt des Temporalen … Es ist ein Wegweiser, und eine Art Schlüssel! Ich glaube … ich glaube, damit kann ich den Ort wählen, an dem wir in unsere Gegenwart zurückkehren.«
    Er konzentrierte sich auf ein Bild, von dem er annahm, dass es ihm Tonkorra zeigte, die Hauptstadt von Kabäa. Am Stadtrand lag ein ausgedehnter Raumhafen mit mehreren Springern der Horgh und dem riesigen schwarzen Koloss eines Kantaki-Schiffes. Er bewegte den Keil …
    Das Bild raste auf sie zu, nahm sie beide auf.
    Dunkelheit umgab Valdorian. Er sah nichts, spürte aber, dass eine entscheidende Veränderung stattgefunden hatte: Seine Umgebung, wie auch immer sie gestaltet sein mochte, fühlte sich real an, fest in normaler Zeit verankert.
    »Jonathan?«
    »Ich bin hier.«
    Valdorian bewegte sich, stieß gegen mehrere Gegenstände, einige von ihnen unangenehm fest, andere weich. Eines der weichen Objekte erwies sich als sein Sekretär.
    »Wo sind wir?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht …«
    Irgendwo summte etwas, ein Piepsen gesellte sich hinzu, dann sagte eine synthetische Stimme: »Es kam zu einer Fehlfunktion. Die Sequenz wird unterbrochen.«
    Licht vertrieb die Dunkelheit, mattes Licht aus

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