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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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vertraut wirkenden Miniprojektoren, und Valdorian sah, dass sie sich im Inneren eines Träumertanks befanden. Nur einen knappen Meter entfernt ruhte ein junger Mann auf einem Levitatorkissen, und mehrere Kabel verbanden die Bio-Servi an seinem Körper mit den Steuerungsgeräten des Tanks. Hinzu kamen drei dünne Schläuche, die den Körper mit Nährstoffen versorgten und gegebenenfalls Blase und Darm leerten. Mithilfe der Bio-Servi stimulierte ein komplexer Virtu-Servo das Gehirn des Träumers und schuf eine Pseudorealität, die der Mann auf dem Levitatorkissen nicht von der Wirklichkeit unterscheiden konnte.
    Mit dieser Pseudorealität schien etwas nicht in Ordnung zu sein: Der Träumer hatte die Augen weit aufgerissen, starrte ins Nichts und bebte am ganzen Leib.
    Valdorian stellte fest, dass ihre Rückkehr aus dem Zeitlabyrinth mehrere Virtu-Module aus ihren Einfassungen gelöst hatte. Ein Kabelstrang wand sich wie eine Schlange hin und her, und in der offenen Schnittstelle am Ende blitzte es.
    Die Luke des Tanks schwang auf, und ein schwammig wirkendes Gesicht sah herein.
    »Was …«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Jonathan schlicht und schob sich an dem Mann vorbei. Valdorian folgte ihm und blickte in die verblüffte Miene des Mannes. »Ich glaube, hier braucht jemand ihre Hilfe.« Er deutete ins Innere des Tanks, zum Träumer auf dem Levitatorkissen.
    »Aber wie …«, begann der Mann.
    Jonathan und Valdorian waren bereits an ihm vorbei, eilten über einen Laufsteg aus Synthostahl, passierten Träumertanks, die neben- und übereinander in einem Levitatorgerüst hingen. Der Mann hinter ihnen kletterte in den offenen Tank hinein, als ein Schrei aus dem Inneren kam. Die beiden rannten die nächste Treppe hinunter, dann mit langen Schritten durch den Saal des Anderswelt-Zentrums und nach draußen, hinein in einen Strom von Menschen, Fremdweltlern und Ambientalblasen. Hinein in die Hitze. Valdorian blinzelte im grellen Schein der Sonne und hatte plötzlich das Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zahlreicher Zuschauer. Die Normalität, die ihn von einem Augenblick zum anderen umgab, erschien ihm exotischer als so manche Extremwelt der Neuen Menschen.
    Hunderte, tausende von Passanten und Reisenden waren unterhalb der Flugkorridore unterwegs, in denen Levitatorwagen und Servokapseln wie große Insekten aus Stahlkeramik und Synthomasse dahinsummten. Zu beiden Seiten der breiten, Fußgängern vorbehaltenen Allee ragten Gebäude auf, die teilweise recht gewagt anmutende Muster und Strukturen zeigten, die nur durch den Einsatz von Levitatoren möglich wurden: Winkel dort, wo man gerade Linien erwartete, weite Vorsprünge, die den Eindruck erweckten, jederzeit herabstürzen zu können, ineinander verschlungene Spiralen, schiefe Türme – die Architekten hatten ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt. An vielen Stellen wuchsen große Pflanzen, die meisten von ihnen hohe, Schatten spendende Kabäakiefern, aber auch genmanipulierte Büsche und Sträucher in schillernden Farben. In der Ferne glaubte Valdorian, eine größere Ansammlung von Pflanzen zu erkennen: einen Park. Vielleicht hatte dort gegen Ende des Zeitkriegs die schwarze Pyramide der Temporalen gestanden.
    Valdorian und Jonathan ließen sich vom Strom der Menge in Richtung Raumhafen treiben. Niemand schien ihnen besondere Beachtung zu schenken, obwohl sie in ihrer einfachen, nicht einmal richtig passenden Kleidung wie Subalterne aussahen, die in der Umgebung der subplanetaren Industrieanlagen lebten.
    »Als wir in der Sphäre waren, habe ich den Raumhafen als Ziel gewählt«, sagte Valdorian halblaut. »Das hat zum Glück funktioniert.« Er suchte in den Taschen von Hemd und Hose, fand aber nur seinen Identer, den Privatgaranten, die Schatulle und den Amplifikator. »Er ist weg. Der Schlüssel, das Objekt, das mir der Temporale gegeben hat … Es ist weg.«
    Ein Schatten glitt über sie und die anderen Fußgänger in ihrer Nähe hinweg, und als Valdorian den Kopf hob, sah er einen orangefarbenen Shuttle der Garde von Kabäa. Er flog so tief, dass man die Silhouetten mehrerer Gardisten hinter den transparenten Flankenschilden erkennen konnte, unterhalb der Flugkorridore des Levitatorverkehrs. In Valdorian versteifte sich etwas, und das Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, wie entblößt zu sein, wiederholte sich mit unangenehmer Intensität. Handelte es sich um einen normalen Patrouillenflug des Shuttles? Oder suchten die Gardisten

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