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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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aus versucht«, sagte Lidia. »Aber das Plurial ist so groß …«
    »Es ist wahrhaft unendlich, denn es enthält alles, das gewesen ist, sein wird und existieren kann. Das Sakrium eignet sich für die Meditation, nicht dafür, nach etwas Bestimmtem zu suchen. Dafür gibt es die Linse.«
    »Die Linse?«, wiederholte Lidia erstaunt.
    »Unsere Wurzeln reichen bis in die Dritte Ära zurück. Damals, als unser Volk noch sehr jung war, als es noch nicht die Gedanken des zu Materie gewordenen Geistes nutzte, um durchs All zu reisen, schuf Neugier die Linse, denn sie erlaubt einen fokussierten Blick ins Plurial.«
    Mutter Krir glitt in den Korridor, und Lidia verließ das Spielzimmer, um ihr zu folgen. Hinter ihr schloss sich der Zugang mit einem leisen Summen. Die große Kantaki stakte langsam durch den Gang, und ihre fünf Kinder bildeten ein zufrieden klickendes Anhängsel am Bauch.
    »Ändere den Kurs des Schiffes, Diamant«, sagte Mutter Krir. »Bring uns nach Munghar. Du sollst einer der wenigen Menschen sein, die jemals die Ursprungswelt der Kantaki betreten haben.«
     
    »Hörst du mich, Lidia?«, fragte Valdorian leise, und seine Stimme flüsterte durch die Höhle, in der Kristalle staudenartige Strukturen bildeten. Nur einige wenige Lampen vertrieben die Dunkelheit, übrig geblieben von damals, als Lidia und er hierher gekommen waren. Er hob den Blick vom kognitiven Diamanten und ließ den Amplifikator sinken. Deutliche Brandspuren zeigten sich an den Kristallen, hervorgerufen vor Jahren von einem Hefok, den sein betrunkenes jüngeres Selbst abgefeuert hatte. Die Xurr-Larve war halb verkohlt.
    »Hast du die Larve wirklich für echt gehalten?«, murmelte Valdorian, und diesmal klang das Du halb verächtlich. »Wenn ich daran denke, wie viel Geld es gekostet hat, eine genetisch ›echte‹ Kopie zu schaffen! Die besten Spezialisten haben in meinem Auftrag fast einen Monat lang daran gearbeitet. Wie seltsam, dass du so leichtgläubig gewesen bist, Lidia. Ist es dir nie verdächtig erschienen, dass ausgerechnet ich die siebte Xurr-Larve gefunden habe, noch dazu auf Tintiran, in einem Berg im Meer?«
    Er sah sich noch einmal um an dem Ort, wo sie sich zum ersten Mal geliebt hatten. Dann verließ er die Höhle und kehrte nie dorthin zurück.
     
Munghar ·  Urirr-System ·  Kantaki-Welt
Viertausendachthundert Lichtjahre außerhalb der von Menschen besiedelten galaktischen Regionen
24. Februar 307 SN ·  linear
     
    »Diese Welt ist alt, älter noch als wir«, klickte Mutter Krir. »Einst war sie heiß und voller Leben, damals, noch bevor das Vierte Kosmische Zeitalter begann. Heute ist sie kalt und stirbt einen langsamen Tod.« Die Kantaki hob eine der vorderen Gliedmaßen und deutete zur roten Sonne empor, die schwach und fern am Himmel glühte. »Munghar empfängt heute nur noch halb so viel Licht und Wärme wie vor einigen Millionen Jahren. Urirr – die Hüterin, wie wir die Sonne unserer Heimatwelt nennen – hat fast ihren ganzen nuklearen Brennstoff verbraucht und schrumpft. Unsere Wissenschaftler sind sich nicht ganz einig darüber, was geschehen wird, denn offenbar liegt Urirrs Masse genau im Grenzbereich: Entweder kühlt die Sonne weiter ab, bis irgendwann keine thermonuklearen Reaktionen mehr in ihr stattfinden. Oder es kommt zu einem Kollaps, der Druck und Temperatur rapide ansteigen lässt, mit dem Ergebnis einer gewaltigen Explosion.«
    »Eine Nova«, sagte Lidia. »Das wäre wirklich bedauerlich. Es würde das Ende von Munghar bedeuten.«
    »Ja. Auch mir wäre die erste Möglichkeit lieber, aber die Entwicklung von Sternen nimmt keine Rücksicht auf unsere Wünsche. Stell dir vor, Kind: Ein in die Sonne stürzender Komet könnte mit seiner Masse den Ausschlag geben.«
    Eine weite Ebene aus rotbraunem Fels erstreckte sich vor Lidia, nur matt erhellt von dem glühenden Rubin am Himmel. Sie hatte sich noch an Bord des Schiffes informiert und daher keine Städte erwartet, aber der Anblick stellte doch eine Überraschung für sie dar. Das Volk der Kantaki war Jahrmillionen, vielleicht sogar Jahrmilliarden alt, und etwas in ihr hatte sich seine Ursprungswelt als altehrwürdiges kulturelles Zentrum vorgestellt, als einen Planeten mit Tempeln, Pagoden und zahlreichen Meditationsorten. Stattdessen präsentierte sich ihr eine Welt, die auf den ersten Blick betrachtet leer und fast tot wirkte – niedriges, in Felsspalten wachsendes Gestrüpp schien weit und breit das einzige Leben darzustellen. Kantaki-Schiffe

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