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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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rauben, und wenn sie fielen, drohten Verletzungen, die tödlich sein konnten.
    Das Summen wuchs zu einem lauten Grollen an, die Luft schien sich mit Energie zu laden, und dann …
     … sprang das Horgh-Schiff in den interstellaren Transit.
    Für einen schrecklichen Sekundenbruchteil hatte Valdorian das Gefühl, dass jede einzelne Zelle seines Gehirns in Flammen aufging, und dann zerfaserte sein Selbst.

19
Im Transraum
An Bord von Mutter Krirs Schiff
7. Februar 307 SN ·  linear
     
    Lidia nannte den Raum »das Spielzimmer«. Er befand sich fast genau in der Mitte des Schiffes und gehörte zu dem Bereich, der Nichtkantaki normalerweise vorenthalten blieb, aber Lidia genoss inzwischen einen besonderen Status, nicht nur als Pilotin, sondern auch als Person – Mutter Krir sah in ihr fast so etwas wie eine Adoptivtochter. Das Spielzimmer war rund, und seine Wände wiesen nicht die hyperdimensionalen Verschachtelungen auf, die einen großen Teil der Struktur des Kantaki-Schiffes bestimmten; doch auch hier kam es zu Veränderungen, die nicht allein auf einen Wechsel der Perspektive zurückgingen. Abwechselnd bildeten sich Mulden und Buckel, und manchmal wuchsen rankenartige Gebilde aus ihnen hervor. Es hing ganz von den Empfindungen der jungen Kantaki ab.
    Lidia spielte mit Mutter Krirs fünf Kindern.
    Sie waren vor einem Jahr geschlüpft, alle am gleichen Tag, und hatten noch größere Ähnlichkeit mit Gottesanbeterinnen als ihre Mutter. Im Gegensatz zu Krir wies ihr noch weiches Ektoskelett lavendelblaue Töne auf, und sie teilten auch nicht die ruhige Würde der alten Kantaki.
    Sie liebten es über alles, in der Schwerelosigkeit des Spielzimmers hin und her zu sausen, sich von den Wänden abzustoßen und mit kleinen Flügeln zwischen den bunten Kugeln zu navigieren, die aus einer gallertartigen Substanz bestanden und in der Mitte des runden Raums wie in einem langsamen Ballett hin und her glitten. Immer wieder klickten die Stimmen der jungen, nur etwa fünfzig Zentimeter langen Kantaki, doch es drangen keine verständlichen Worte aus dem Lautsprecher des Übersetzungsgeräts, das Lidia jetzt immer bei sich trug. Mutter Krirs Kinder verständigten sich noch mit wortlosen Lauten, die allein emotionale Inhalte vermittelten, von Freude, Fröhlichkeit und Aufregung berichteten.
    Lidia zweifelte nicht daran, dass die jungen Kantaki für andere Menschen völlig gleich ausgesehen hätten, aber sie war gleich vom ersten Tag an imstande gewesen, die subtilen Unterschiede zu erkennen. Und auch die Gabe half ihr bei der Bestimmung von Individualität, denn die einzelnen Kinder fühlten sich unterschiedlich an: Mru, etwas ernster als die anderen, beim Flugspiel aber ausdauernder als seine Geschwister; Tral, der so gern über Lidias Leib krabbelte und ihre fremdartige Physiologie erforschte; Dror, der besonders elegant zwischen den Kugeln flog und dessen Emanationen Sanftmut vermittelten; Grar, der Lidia gern zwickte und voller Entzücken klickte, wenn sie »Autsch!« rief; und Krinh, der Ästhet – die von seinen Empfindungen und Bewegungen geschaffenen Veränderungen in den Wänden wirkten selbst für Lidias Augen wie Gestalt gewordene Poesie.
    Sie stellte sich alle fünf Kinder als männlich vor, obwohl sie wusste, dass sie Neutren waren und erst in einigen Jahren ein klar definiertes Geschlecht bekommen würden – wenn sie alt genug waren, um selbst darüber zu entscheiden.
    Lidia schwebte neben einer wie Perlmutt schimmernden Kugel in der Mitte des Spielzimmers und beobachtete, wie sich Tral mit mehreren Gliedmaßen von der Wand abstieß. Erstaunlich schnell kam er näher, ganz offensichtlich mit der Absicht, sich an ihrem Rücken festzuhalten und mit einer neuen Leibesvisitation zu beginnen. Einmal war es ihm gelungen, unter Lidias weiten Umhang zu kriechen, und sie erinnerte sich deutlich daran, wie sehr es gekitzelt hatte. Diesmal beschloss sie, ihm ein Schnippchen zu schlagen.
    Vorsichtig stieß sie sich von der Perlmuttkugel ab, verschwand hinter einem smaragdgrünen Ball und zwang Tral, den Kurs zu ändern. Lidia duckte sich zur Seite, und als der kleine Kantaki an ihr vorbeiflog, gab sie ihm einen behutsamen Stoß, der ihn zur Wand fliegen ließ. Tral klickte vergnügt, und seine Flügel surrten, als er in einem weiten Bogen zur Wand flog, sie an einer vorgewölbten Stelle erreichte und sich dort festhielt. Er klickte erneut, und diesmal glaubte Lidia, etwas anderes zu hören und zu fühlen, keine kindliche

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