Kantaki 01 - Diamant
standen über die ganze Ebene verstreut, wie schwarze Berge in der rotbraunen Landschaft. Es gab keinen Raumhafen, nur mit rotierenden pseudorealen Kantaki-Symbolen markierte Bereiche, die auf Landeplätze hinwiesen. Und neben jedem dieser Landeplätze gab es eine große Öffnung im Boden.
Mutter Krir näherte sich einer dieser Öffnungen; Mru, Dror, Grar, Krinh und Tral hatten sich erneut an ihren Unterleib geklammert, und Lidia folgte ihr.
»Vor langer Zeit, als Munghar noch voller Leben war, hatten die Vorfahren meines Volkes viele natürliche Feinde an der Oberfläche, und deshalb zogen sie sich ins Innere des Planeten zurück. Dort reiften wir heran, bis wir imstande waren, an die Oberfläche zurückzukehren und uns dort mit geeigneten Werkzeugen zu schützen. Aber viele von uns blieben in den unterirdischen Höhlensystemen; sie waren längst zu unserem natürlichen Lebensraum geworden.«
»Ich habe mich immer gefragt, warum die Kantaki ein halbdunkles Ambiente bevorzugen«, sagte Lidia. »Bei uns Menschen ist die Furcht vor der Finsternis weit verbreitet.«
»Dunkelheit hat für uns Sicherheit bedeutet«, erwiderte Mutter Krir. »Licht hingegen brachte Gefahr. Nun, das alles ist lange, lange her. Aber diese elementaren Erfahrungen prägten unser Empfinden und Verhalten.«
Ein dumpfes Brummen veranlasste Lidia, zur Seite zu sehen. In der Ferne, dort, wo sich am Horizont Himmel und Boden trafen, stieg der dunkle Riese eines Kantaki-Schiffes auf. Es zog keine Transportblase hinter sich her, denn die Kantaki brachten keine Passagiere nach Munghar.
Lidia musste sich beeilen, um mit Mutter Krir Schritt zu halten, die mit ihren langen Beinen schneller vorankam. Nach einigen weiteren Metern, dicht vor der großen Öffnung im Boden, aus der eine warme Brise emporwehte, verharrte die Kantaki.
»Klettere auf meinen Rücken«, klickte Mutter Krir. »Der Weg ist lang, und du würdest bald müde werden.«
Lidia zögerte. Sie brachte der alten Kantaki große Ehrfurcht entgegen, und es erschien ihr respektlos, auf ihren Rücken zu klettern. Mru und die anderen Kinder am Unterleib klickten begeistert.
»Nur zu«, sagte Mutter Krir und bückte sich.
Und so kletterte Lidia auf ihren Rücken, vorsichtig und behutsam, aus Furcht, die Kantaki durch Unachtsamkeit zu verletzen. Sie berührte das vage Fluoreszieren, das jede Bewegung der Kantaki begleitete, und dabei spürte sie ein leichtes Prickeln, das sie nicht an statische Elektrizität denken ließ, sondern an das wohlige Erschauern durch eine zärtliche Berührung. Hinzu kam das Gefühl von Tiefe und Weite, das Lidia aus der Heiligen Sphäre im Transraum kannte. Sie verharrte auf Mutter Krirs Rücken, nicht weit vom ledrigen Hals entfernt, ließ die Beine zu beiden Seiten der Außenschale nach unten baumeln. Mutter Krirs fünf Kinder krabbelten empor, schmiegten sich an die Pilotin und klickten fröhlich.
Wieder spürte Lidia eine Mischung aus Freude und Melancholie. Die alte Kantaki erreichte das Loch im Boden, glitt hinein und folgte dem Verlauf eines langen, an einigen Stellen erstaunlich steil nach unten führenden Tunnels. Vermutlich hatte Mutter Krir ihr nicht nur Erschöpfung ersparen wollen, dachte Lidia, sondern auch das Risiko, an einigen Stellen den Halt zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen.
Das rote Glühen der sterbenden Sonne blieb schnell hinter ihnen zurück und wich einem matten Glanz, der dem Fluoreszieren von Mutter Krir ähnelte, aber von den Wänden stammte, von flechtenartigen Gewächsen, die das Felsgestein mit einem dicken Teppich überzogen. An einigen Stellen – meistens dort, wo sich Tunnel kreuzten – drehten sich dreidimensionale Bilder, die Kantaki bei seltsamen Ritualen zeigten, deren Bedeutung Lidia rätselhaft blieb.
»Heute sind unsere subplanetaren Nester von einst Museen und Gedenkstätten«, erklärte Mutter Krir, während sie den Weg agil fortsetzte. »Nur noch wenige Kantaki leben dauernd hier, praktisch nur der Kustos und seine Pfleger. Sie sorgen dafür, dass erhalten bleibt, was erhalten werden muss.« Ihr Klicken veränderte sich ein wenig, als sie hinzufügte: »Dies ist ein wichtiger Ort, denn hier entstand unser Sakraler Kodex. Hier hörten wir zum ersten Mal die Stimme des Geistes, der Materie wurde. Hier wuchs unser Volk und erlebte den Übergang zur Vierten Ära.«
»Ein Ort der Besinnung«, sagte Lidia leise und glaubte zu verstehen.
»Ja«, bestätigte Mutter Krir, während ihre Kinder ein leises Lied
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