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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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soziale Kontakt zu knüpfen. Seit sechs Monaten bist du jetzt hier, und mir ist aufgefallen, dass du Gesellschaft scheust. Wenn es so weitergeht, wirst du zur Einzelgängerin. Eines steht fest: Auf diese Weise lernst du nie jemanden kennen, der dein Konfident werden könnte.«
    »Ich weiß nicht einmal, ob ich das möchte.«
    »Stell dir vor, du lebst tausend Jahre als Kantaki-Pilotin. Und stell dir vor, jede Sekunde dieses langen Lebens allein zu verbringen. Das kann wohl kaum dein Wunsch sein, oder?«
    Tintiranische Möwen pfiffen, zogen Kreise am Himmel, legten die Flügel an und stürzten sich herab. Mit einem dumpfen Klatschen verschwanden sie im Wasser und kamen kurze Zeit später wieder zum Vorschein, einige von ihnen mit zappelnder Beute im Schnabel. Die Sonne stieg höher, über die dünne Linie des Horizonts, an der sich Meer und Himmel trafen. Lidia beobachtete die glitzernden Lichtreflexe auf dem roten Wasser und dachte daran, wie allein sie sich während der letzten Jahre gefühlt hatte, seit Mutter Krirs Kinder nicht mehr an Bord des Schiffes waren. Sie dachte an die seltsamen Träume, die immer wieder ihren Schlaf störten, Träume, in denen sie oft Valdorian begegnete und die sie mit Sehnsucht erfüllten. Sie waren nicht so intensiv wie jener Traum, der sie daran gehindert hatte, Floyd zu helfen, aber sie beeinträchtigten doch ihr inneres Gleichgewicht.
    »Nein, ich möchte nicht allein bleiben«, sagte sie langsam. »Aber ich weiß nicht, ob dies die richtige Zeit ist, einen Partner zu wählen.«
    »Bleib noch etwas länger auf Tintiran«, schlug Rita vor. »Wenigstens einige Monate. Oder hast du Angst, hier im Zeitstrom zu altern?«
    Diese Worte brachten ein Lächeln auf Lidias Lippen. Sie sah noch immer wie Mitte zwanzig aus, und einige Monate bewirkten sicher keinen nennenswerten Unterschied.
    »Außerdem: Die eine oder andere Falte könnte dir die Aura von Weisheit geben«, fügte Rita hinzu. »Vielleicht lernen deine Schüler dadurch schneller. Und manche Männer finden so etwas sehr reizvoll.« Sie wurde wieder ernst. »Unterweise eine weitere Gruppe. Das wird einige Monate dauern, und vielleicht begegnest du in dieser Zeit jemandem, der dir interessant erscheint. Allerdings musst du mir versprechen, nicht dauernd in der Pagode herumzuhocken. Bellavista ist groß, und es gibt andere Städte auf Tintiran. Stürz dich ins Leben.«
    Lidia seufzte leise. »Na schön, einverstanden«, sagte sie, obwohl sie sich nach dem Transraum sehnte, danach, erneut die Ewigkeit zu berühren. »Eine weitere Gruppe. Anschließend verlasse ich Tintiran.«
    »Hoffentlich nicht allein.«
     
    Lidia wusste nicht, ob sie wachte oder träumte. Sie saß unter einem sternenbesetzten Himmel, am Ufer des Scharlachroten Meers, ganz allein. Das rhythmische Branden der Wellen war wie eine sanfte Melodie, die sie mit Ruhe erfüllte. Nur einige wenige Lichter leuchteten in der Stadt hinter ihr, in einer Stadt, die sich sonderbar leer anfühlte.
    »Ich weiß, dass du hier bist«, sagte Lidia, während sie übers Meer blickte, auf dem sich das Licht der Sterne spiegelte.
    Ein Mann saß plötzlich neben ihr, hatte die ganze Zeit über neben ihr gesessen.
    »Und so sind wir erneut zusammen«, sagte Valdorian.
    Lidia sah ihn nicht an. »Wieso träume ich immer wieder von dir?«
    »Weil ich dir fehle?«
    »Sechsundzwanzig Jahre sind vergangen.«
    »Du siehst noch immer so aus wie damals.«
    »Sechsundzwanzig Jahre …«, wiederholte Lidia nachdenklich.
    »Du träumst von mir, weil du mich liebst«, sagte der Mann an ihrer Seite, und seine Stimme bekam dabei einen besonders eindringlichen Klang. »Du liebst mich noch immer, bist aber zu stolz, um deinen Fehler von damals einzugestehen.«
    Lidia horchte in sich hinein und fühlte erneut jene Sehnsucht, die sie nicht zur Ruhe kommen ließ. Abrupt stand sie auf und blickte zu den Sternen empor. »Es war kein Fehler. Ich habe die richtige Entscheidung getroffen.« Ich muss fort von hier, dachte sie.
     
    »Ich muss fort von hier«, murmelte Lidia, als sie durch die Sakrale Pagode von Bellavista eilte. Alles in ihr drängte danach, Tintiran zu verlassen und zu den Sternen zurückzukehren, in den Transraum.
    Ein Schatten bewegte sich vor ihr, und sie sah auf. Ein Kantaki kam aus einem der Räume und stakte mit erstaunlicher Eleganz durch den Korridor. Auffallend starke Fluoreszenz begleitete jede Bewegung, und einige der langen Gliedmaßen waren mit Stofffetzen geschmückt, die besonders

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