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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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einmal das K-Gerät an ihrem Kragen zu benutzen. Valdorian blieb eine winzige Gestalt, so weit entfernt, dass das Gesicht nur ein vager heller Fleck war. Sie horchte in sich hinein, auf der Suche nach einer emotionalen Reaktion. Eifersucht fehlte natürlich; so etwas wäre nach fast achtzig Jahren absurd gewesen. Sie fand vage Trauer darüber, dass sie damals nicht genug Mut aufgebracht hatten, endgültig zueinander zu finden, und außerdem hatte sich das Gefühl der Einsamkeit verstärkt, das sie seit vielen Jahren begleitete, ungeachtet diverser Kontakte und der einen oder anderen Beziehung. Sie fühlte sich allein, trotz der Menschenmenge auf dem Platz, oder vielleicht gerade wegen ihr.
    Sie wandte sich ab und ging in Richtung einer der Treppen, die direkt zur nächsten Terrasse von Sirkand führten, ohne den Umweg durch die vielen schmalen, sich hin und her schlängelnden Gassen. Als Lidia die aus graubraunem Felsgestein bestehende Treppe erreichte, verklang Valdorians Stimme weit hinter ihr, und neuerlicher Applaus brandete auf. Sie achtete nicht darauf, neigte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben, am weiten Hang des gewaltigen erloschenen Vulkans empor. Bis in die Stratosphäre von Aronnàh reichte der mehr als zwölf Kilometer hohe Kegel, weit über den kritischen Bereich hinaus, in dem Menschen gerade noch ohne Sauerstoffgeräte überleben konnten. Der Krater durchmaß fast neunzig Kilometer, und seine hohen Wände hatten das Innere über Jahrmillionen hinweg vom Rest des Planeten abgeschirmt, mit dem Ergebnis einer separaten Evolution von Flora und Fauna. Verschiedene Lebenswege, dachte Lidia nicht ohne eine gewisse Ironie. Bei den anderen dreizehn Riesenvulkanen von Aronnàh, wie dieser erloschen, lag der Fall ähnlich, und deshalb brachten Evolutionsforscher dieser Welt großes Interesse entgegen. Doch bei der breiten Öffentlichkeit war der dritte Planet des Turma-Systems vor allem für zwei Dinge bekannt: für seinen erstklassigen Wein und den riesigen, weitgehend unberührten Urwald, der mehr als fünfundneunzig Prozent der drei Kontinente bedeckte und Entsager von zahlreichen Welten angelockt hatte. Ihre Baumhäuser waren stellenweise zu urbanen Komplexen angewachsen, in einer Höhe von bis zu zweihundert Metern über dem Boden – selbst von der untersten Terrasse Sirkands aus konnte man einige von ihnen sehen. Sie nannten Aronnàh »Waldwelt« und versuchten, in Einklang mit einer Umgebung zu leben, die sie für eine Art Paradies hielten. Manchen gelang es, anderen nicht – auch auf diesem Weg des Lebens gab es Hindernisse und Enttäuschungen.
    Der Wein, der Aronnàhs Namen als Erstes auf anderen Planeten bekannt gemacht hatte, wuchs weit oben, auf den Terrassen mit den fruchtbarsten Böden. Der Wein von Aronnàh, so hatte Lidia gehört, zeichnete sich durch ein ganz besonderes, einzigartiges Aroma aus, und hinzu kam seine Farbe: funkelndes Gold, wie eingefangener Sonnenschein. Hunderte von Chemikern in den Diensten von Unternehmensgruppen, die sich auf die Produktion synthetischer Nahrung spezialisiert hatten, arbeiteten seit Jahren an einer Formel, die es ermöglichen sollte, Aronnàh-Wein zu synthetisieren, aber bisher waren ihre Bemühungen ohne Erfolg geblieben, was den Weinbauern von Sirkand und der anderen Vulkanstädte ein hohes Einkommen sicherte.
    Ein ganzes Stück weiter oben, zwischen der zweiten und dritten Terrasse, blieb Lidia stehen und blickte erneut empor. Über der letzten urbanen Terrasse von Sirkand, etwa dreihundert Meter weiter oben, begann das Anbaugebiet: Ein grüner Gürtel nach dem anderen zog sich am Hang des gewaltigen Vulkans entlang, hinauf bis zu jenem Bereich, wo die Wolken begannen, weiße Tupfer über dem Grün der Pflanzen und am Graubraun des Felsgesteins. Nach einigen Sekunden drehte sich Lidia um und sah in die Richtung, aus der sie gekommen war. Unten, auf der ersten Terrasse, erstreckte sich der Platz mit dem Podium. Die Menge, die zuvor dort versammelt gewesen war, zerstreute sich, und es stand niemand mehr auf dem Festpodium. Wieder spürte Lidia einen Anflug von Trauer, und sie fragte sich kurz, wo Valdorian jetzt sein mochte. Dann verdrängte sie alle Gedanken an ihn und schloss innerlich die metaphorische Tür, die sie kurz für ihn geöffnet hatte. Sie setzte den Weg nach oben fort und verließ die Treppe, als sie die dritte Terrasse erreichte, vertraute sich dort dem Labyrinth der Gassen an.
    Fast sofort wich die Stille einem Durcheinander aus

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