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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Monofaser-Leinen bewegten sich wie die Leiber zitternde Aale, und die an ihnen befestigten, untereinander durch halbtransparente Tunnel verbundenen Passagierkapseln, Frachtmodule, Habitate und Containergruppen schwankten wie in einem trägen Tanz von einer Seite zur anderen – die Stabilität der Transportblase geriet zunehmend in Gefahr, als der Kantaki-Koloss … starb?
    Kann ein Raumschiff ohne Seele sein und sterben?, flüsterte es in Valdorian. Er ließ den nutzlos gewordenen Injektor fallen, fühlte in der anderen Hand das Gewicht der Waffe, mit der er den insektoiden Kantaki erschossen hatte. Du hast getötet, wiederholte sich das Raunen in seinem Inneren, ein Wispern, das doch alle externen Geräusche übertönte. Und nicht zum ersten Mal. Der von dir begonnene Krieg hat bereits Millionen den Tod gebracht. Und vorher waren es deine ökonomischen Entscheidungen, die Existenzen ruinierten und Leben auslöschten.
    Während er diesen Worten lauschte, veränderte sich die mentale Stimme. Sie geriet in Bewegung, verließ Valdorians inneren Kosmos und wurde Teil einer neuen externen Welt.
    »Ich bin enttäuscht von dir.«
    Valdorian öffnete die Augen – sein Vater stand vor ihm. Hovan Aldritt sah so aus wie kurz vor seinem Unfall vor mehr als hundert Jahren: hager, nur einige wenige graue Strähnen im Haar, der Blick der großen Augen sehr aufmerksam.
    »Vater …«
    Valdorian sah sich verwundert um. Er stand auf einem schmalen Pfad, der durch eine endlose Wüste führte. Die Luft flirrte über dem heißen, graubraunen Sand, und am Himmel loderte eine erbarmungslose Sonne. Er zwinkerte in ihrem grellen Schein; die Hitze schien seine Kraft wie Feuchtigkeit verdunsten zu lassen. Etwas erinnerte ihn an früheren Schmerz, eine prickelnde Schwäche wie nach einer großen Anstrengung.
    »Vater …«, wiederholte er ungläubig und trat Hovan Aldritt einen Schritt entgegen, ohne dass sich die Distanz zwischen ihnen verringerte.
    »Hast du wirklich geglaubt, dass Macht und Reichtum alles sind?«
    »Ich … ich bin Ihrem Beispiel gefolgt«, brachte Valdorian hervor. »Ich bin wie Sie zum Primus inter Pares geworden. Und unter meiner Führung wurde das Konsortium zu einem dominierenden Machtfaktor im vom Menschen besiedelten All.«
    »Aber jetzt stehst du mit leeren Händen da«, erwiderte sein Vater eisig. »Du hast alles verloren, alles ruiniert. Ich hatte mehr von dir erwartet. Ich hatte von dir erwartet, dass du die richtigen Entscheidungen triffst.«
    »Ich habe die richtigen Entscheidungen getroffen«, verteidigte sich Valdorian. »Immer.«
    »Hattest du ein erfülltes, glückliches Leben?«
    Valdorian zögerte und empfand die Hitze als immer unangenehmer. Er schirmte seine Augen mit den Händen ab, um seinen Vater besser zu sehen.
    »Na bitte«, sagte Hovan Aldritt, als das Schweigen andauerte.
    »Ich habe all das übertroffen, was Sie geleistet haben«, krächzte Valdorian. »Kann ein Vater mehr von seinem Sohn verlangen?«
    »Aber du hast nicht aus meinen Fehlern gelernt.«
    »Aus Ihren … Fehlern?«
    »Erinnerst du dich an das Schachbrett, das ich dir einmal gezeigt habe?«
    Valdorian nickte. »Sie haben mich gefragt, welche Figuren wir darauf sind.«
    »Und ich habe dir gesagt, dass wir außerhalb des Schachbretts stehen, die Figuren aufstellen und bewegen.«
    »Sie hatten Recht. Das wurde mir einige Jahre später klar.«
    »Und wenn das Leben auf dem Schachbrett stattfindet und nicht außerhalb davon?«
    Valdorian starrte seinen Vater groß an und suchte in Hovan Aldritts Gesicht nach etwas, das es ihm ermöglichte, diese Begegnung zu verstehen.
    »Du hast dein ganzes Leben vergeudet, Sohn«, sagte Hovan Aldritt, und jedes einzelne Wort traf Valdorian mit der Wucht eines Fausthiebs. »Du hättest dich für Lidia entscheiden sollen.«
    »Aber Sie … Sie waren dagegen«, ächzte Valdorian. »Sie haben sich gegen den Ehekontrakt ausgesprochen.«
    »Und du bist so dumm gewesen, auf mich zu hören. Was bedeutet ein ungelebtes Leben? Welches Gewicht hat es auf der Waagschale des Universums? Welche Bedeutung hat es im Mikrokosmos der individuellen Existenz? Das kompromisslose Leben, das du führen wolltest … War es mehr als ein Sein abseits des Lebens? Du bist ein Choreograf gewesen, aber hast du am Ballett teilgenommen? Hast du getanzt auf der Bühne des Lebens?«
    »Vater …« Wieder trat Valdorian einen Schritt nach vorn, und auch diesmal blieb die Distanz zu Hovan Aldritt die gleiche. Mehr als nur einige Meter

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