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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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ihn zu ziehen.
    Draußen in der Empfangshöhle öffnete sich die Tür einer von oben kommenden Transportkapsel. Der schwarze Zylinder einer Bombe kippte heraus und explodierte.
    Erschrockene Stille verwandelte sich in Chaos.
    Es krachte, und die Faust eines Titanen schien auf die Höhle herabzuschmettern. Die Druckwelle der Explosion pulverisierte das Eis in der Nähe und ließ es etwas weiter entfernt zerbersten. Valdorian beobachtete, wie die letzten Touristen, die vor einem anderen Lift gewartet hatten, an die Wand geschleudert und dann von zahlreichen Eissplittern regelrecht zerfetzt wurden. Die einige Meter weiter entfernt stehenden Soldaten hatten ebenfalls keine Chance:
    Die Wucht der Explosion und das berstende Eis zermalmten sie.
    Plötzlich merkte Valdorian, dass er flog – er hatte keinen festen Boden mehr unter den Füßen. Er fühlte sich fast angenehm leicht, und dieses Empfinden stand in einem sonderbaren, absurden Kontrast zur Realität der Situation. Er stieß gegen etwas und hörte, wie das leise Brummen des Individualschilds zu einem wütenden Fauchen wurde. Dann wich der Lichtblitz der Explosion einer Dunkelheit, die auch Valdorians Gedanken erfasste.
     
     

8
Tintiran
14. August 301 SN ·  linear
     
    Der Raum erstreckte sich in der Hyperdimension der Kantaki, vielleicht teilweise im Transraum. Lidia DiKastro hatte noch immer keine klare Vorstellung davon gewonnen, aber inzwischen wunderte sie sich nicht mehr darüber, dass man in der von außen gesehen etwa fünfhundert Quadratmeter großen Sakralen Pagode der Kantaki in Bellavista stundenlang unterwegs sein und dabei viele Kilometer zurücklegen konnte. In ihrem Inneren gab es viel mehr Platz, als die Außenmauern erkennen ließen. Die normalen räumlichen Dimensionen verschoben sich dort, und das galt auch für die vierte Dimension, die Zeit. In der Pagode spürte Lidia, dass sie am Ufer des Zeitstroms stand, in dem der ganze gewaltige Rest des Existierenden von der Vergangenheit in die Zukunft schwamm, dabei immer nur für einen flüchtigen Moment die Gegenwart berührte.
    In diesem Raum – dem Lehrzimmer, wie sie ihn nannte – verstärkte sich dieser Eindruck, und sie wusste inzwischen, dass derartige Empfindungen im Pilotendom eines Kantaki-Schiffes am deutlichsten und intensivsten sein würden. Der Raum schien einfach strukturiert und schlicht eingerichtet zu sein, aber Licht und Schatten bildeten komplexe Muster, gaben dem Zimmer mehr Tiefe und subtile Bedeutung. Abstrakte Bilder zeigten sich an den glatten Wänden, halb in der Dunkelheit verborgen, und die Decke war eine bizarre Landschaft aus Zylindern, Zacken, Winkeln und Kanten.
    Fünf Schüler saßen auf Stühlen an kleinen Tischen, etwa zwei Meter vor einem langen, rechteckigen Obsidianblock, der das Licht der wenigen Lampen aufzusaugen schien. Fünf – diese Zahl spielte für die Kantaki eine besondere Rolle, ebenso wie das Bestreben, den Zufall aus allem auszuklammern, ihn höchstens als göttliche Bestimmung zuzulassen. Inzwischen kannte Lidia die anderen vier Schüler ihrer Klasse. Die stille Cora, schüchtern und in sich gekehrt. Die Gordt-Zwillinge, Joan und Juri, beide zukünftige Piloten und Konfidenten des jeweils anderen; sie bildeten einen eigenen, unabhängigen empathischen Kosmos und hofften, im Transraum zu einem Metaselbst zu werden, einem Über-Ich, das ihre Seelen zu einer neuen Person verschmelzen ließ. Und Feydor, der überaus religiöse Feydor, der seinen ganz persönlichen Gott suchte, das schlagende Herz des Universums. Eine interessante Mischung, fand Lidia, auch wenn das Metaphysische ihrer Meinung nach hier zu stark vertreten war.
    »In den vergangenen drei Wochen haben Sie viel gelernt«, sagte der Akuhaschi hinter dem Obsidianblock. Er hieß Hrrlgrid – alle sprachen den komplizierten Namen wie »Rill-grid« aus – und stand so, dass der matte Lichtschein einer Lampe direkt auf sein verschrumpeltes Gesicht fiel, sich in den dunklen, vertikalen Augenschlitzen widerspiegelte. »Die Gabe wird Ihnen langsam vertraut. Sie erkennen sie jetzt als etwas, das zu Ihnen gehört, ein integraler Bestandteil Ihrer Existenz ist. Sie wissen auch, wie Sie Ihre Gabe berühren können, um sie zu öffnen und in die externe Welt zu projizieren.«
    »Wann können wir mit ihr zum ersten Mal nach den Fäden im Transraum tasten?«, fragte Juri Gordt aufgeregt.
    »Wie lange wird die Ausbildung dauern?«, fügte Joan Gordt eine Sekunde später hinzu.
    Hrrlgrids Lippen

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