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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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gestaltloses Geschöpf, das nicht länger warten wollte, sich zum Sprung duckte …
    Das Licht der Chemo-Lampe flackerte und ging aus.
    Valdorian blieb stehen und hielt unwillkürlich den Atem an, als sich kalte Angst wie eine Faust um sein Herz schloss und langsam zudrückte. Er rechnete jeden Augenblick damit, von irgendetwas gepackt und zerfetzt zu werden, und alles in ihm drängte danach, loszulaufen und zu fliehen. Aber die leiser gewordene Stimme der Vernunft riet ihm davon ab und wies darauf hin, dass die Finsternis überall war, dass er ihr nicht entkommen konnte.
    »Die Lampe funktioniert nicht mehr«, sagte Jonathan überflüssigerweise. »Vermutlich wurde sie beim Sturz beschädigt.«
    »Wenn wir jetzt an eine Abzweigung geraten, können wir nicht feststellen, welcher Weg die blaue Markierung aufweist.« Cordobans Stimme klang auch jetzt ruhig und wie unbeteiligt.
    »Primus?«
    »Ich … bin hier«, brachte Valdorian hervor.
    »Uns bleibt noch etwa eine halbe Stunde«, sagte Cordoban. »Gehen wir weiter.«
    Die Dunkelheit machte alles schwieriger. Sie erfüllte ihn mit einer primordialen Furcht, und rationale Gedanken wollten sich vor einem solchen emotionalen Hintergrund kaum einstellen. Die Furcht ließ ihn stärker frösteln, stahl ihm immer mehr Kraft, legte ihm kleine Hindernisse in den Weg, damit er stolperte. Valdorian versuchte, an den Rachegedanken festzuhalten, aber irgendwann wurde es zu viel. Die Finsternis kroch in seine Innenwelt, in den Kosmos zwischen seinen Schläfen, und als es ihm gelang, einen Teil der Benommenheit abzustreifen, fand er sich zitternd vor Kälte auf dem Boden wieder.
    »Primus?« Jonathans Stimme kam aus unmittelbarer Nähe; er hockte neben ihm.
    »Ich bin … so müde«, hauchte Valdorian.
    »Wenn Sie schlafen, sterben Sie«, sagte Cordoban sachlich. Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Die Batterien sind nahezu leer. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass ich die Kälte besser ertrage als Sie. Ich schlage vor, Sie warten hier. Ich laufe los und versuche, den Schacht zu finden. Wenn die dortigen Daten- und Kom-Servi funktionieren, kann ich dafür sorgen, dass innerhalb weniger Minuten Hilfe eintrifft.«
    Valdorian schnappte mühsam nach Luft. Selbst das Atmen fiel ihm schwer. Die Kälte bereitete sich in ihm aus, raubte ihm den Rest von Kraft, lähmte Muskeln und Nerven.
    »Primus?«, fragte Cordoban.
    »In Ordnung«, krächzte Valdorian. »Wir … warten hier auf Sie.«
    Das Geräusch von Cordobans Schritten verhallte schnell, und anschließend schien die Dunkelheit eine neue Qualität zu gewinnen. Valdorian konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Er saß an der Wand, den Rücken ans mumifizierte Gewebe gelehnt, und die von den Heizfäden des Thermoanzugs geschaffene Wärme wurde zu einer verblassenden Erinnerung. Er hörte, dass Jonathan zu ihm sprach, aber seine Worte blieben ohne Sinn in dieser schwarzen, kalten Welt. Mehrmals packten ihn Hände an den Schultern und rüttelten ihn, zogen ihn sogar auf die Beine, aber nach wenigen taumelnden Schritten sank Valdorian wieder zu Boden. Er fühlte sich von einem seltsamen Frieden erfasst, der Ruhe brachte. Das emotionale Chaos, das Verlangen nach Rache, seine Gefühle für Lidia, der Wunsch nach Überleben – das alles verschwand. Es blieb der Wunsch nach Schlaf. Immer verlockender wurde es, dem sanften Zerren der inneren Finsternis nachzugeben, Gedanken und Empfindungen forttreiben zu lassen und sich auszustrecken auf dem weichen Kissen des Vergessens. Nur ein wenig schlafen, um neue Kräfte zu sammeln, einige Minuten, mehr nicht. Dann wollte er aufstehen und weitergehen, in die Richtung, in die Cordoban gelaufen war.
    Nein!
    Valdorian zwang die Lider nach oben, was keinen Unterschied machte, da alles dunkel blieb, aber es wehrte einen Teil der Müdigkeit ab.
    »Jonathan?«
    »Ja, Primus?«, kam es aus der Finsternis. Die Stimme des Sekretärs klang brüchig.
    »Wir müssen in Bewegung bleiben.« Valdorian wusste nicht, woher er die Kraft nahm, aber es gelang ihm aufzustehen. Er stützte sich an der Wand ab und hörte Bewegungen – Jonathan kam ebenfalls auf die Beine. »Wir haben noch eine Chance.«
    »Ja, Primus.«
    »Cordoban hat Recht. Wenn wir schlafen, sterben wir.«
    Die beiden Männer wankten durch die Dunkelheit, und Valdorian konzentrierte sich auf jeden einzelnen Schritt, um nicht erneut der Versuchung zu erliegen, der Müdigkeit nachzugeben. Wieder half die Bewegung, zuerst, aber dann setzte

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