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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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gegen die Temporalen einsetzten.«
    »Seit über dreihundert Jahren …«, wiederholte Lidia beeindruckt.
    »Für uns Piloten vergeht die Zeit anders, Diamant. Ich war schon alt, als ich zum ersten Mal ein Kantaki-Schiff durchs All gesteuert habe – meine Gabe erwachte spät in mir. Du hast ein langes, langes Leben vor dir.«
    Plötzlich blieb Floyd stehen, griff nach Lidias Arm und zog sie zur Wand.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    »Warte …«
    Sie befanden sich in einem weiteren langen, halbdunklen Korridor, in dem Schatten sonderbare Muster formten. Manchmal schienen sich Dinge zu bewegen, die eigentlich stationär sein sollten, aber daran hatte sich Lidia inzwischen gewöhnt. Ein Schemen glitt beiseite, und dahinter entstand eine Öffnung in der Wand. Ein Kantaki trat in den Korridor.
    »Das ist Mutter Krir«, flüsterte Floyd.
    Lange, dünne Gliedmaßen trugen einen schmalen Leib, und wieder fühlte sich Lidia an eine Gottesanbeterin erinnert. Der ledrige Hals neigte sich zur Seite, und der Blick zweier multipler Augen richtete sich auf die beiden Menschen. Wie beim Kantaki in der Pagode bemerkte Lidia silbrig glänzende Stoffteile, und erneut fragte sie sich, ob es sich um Kleidungsstücke oder Schmuck handelte. Auch in diesem Fall begleitete eine eigentümliche Fluoreszenz jede Bewegung der Kantaki. Der dreieckige Kopf kam näher, und die Kiefer klickten.
    »Ich begrüße dich an Bord meines Schiffes, Diamant«, ertönte es aus einem Linguator. Mutter Krir streckte einen dünnen Arm aus und berührte Lidia an der Wange. Für ein oder zwei Sekunden – wenn es hier einen Sinn hatte, diese zeitlichen Begriffe zu verwenden – spürte die junge Frau eine fremde Präsenz im Kern ihres Selbst, ein sanftes Etwas, das nicht etwa ihre Privatsphäre verletzte, sondern wie zärtlich ihre Seele streichelte. Wieder klickte es. »Ich bin sicher, wir werden gut zusammenarbeiten.« Bevor die Präsenz aus ihr wich, wiederholte sich das Gefühl der Zärtlichkeit. »Bleib immer dir selbst treu, Diamant.«
    Krir drehte sich um und stakte durch den Korridor davon. Die einzelnen Schritte trugen sie schneller fort, als es eigentlich der Fall sein sollte, und es dauerte nicht lange, bis die Kantaki in den Schatten verschwand.
    »Mutter Krir mag dich«, sagte Floyd. »Du bist an Bord des richtigen Schiffes.« Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite und lauschte. »Hörst du das?«
    Lidia vernahm ein dumpfes Summen, kaum mehr als eine Vibration im Boden unter ihren Füßen.
    »Wir sind startbereit«, stellte Floyd fest und griff nach Lidias Hand. »Man erwartet uns im Dom.«
    Der Pilotendom des Kantaki-Schiffes war ein kuppelförmiger Raum mit Dutzenden von buckelartigen Konsolen an den Wänden, die sich nach oben wölbten; die höchste Stelle der Decke befand sich mehr als zehn Meter über dem Podium in der Mitte des Raums. Zwei Akuhaschi schritten von einer Konsole zur anderen, überprüften die Anzeigen, betätigten Kontrollen und justierten die Bordsysteme. Lidia begleitete Floyd zum Podium, trat dort fünf Treppenstufen empor und blieb neben einem Sessel stehen, der mehr wie eine Liege aussah.
    Floyd vollführte eine einladende Geste. »Nimm Platz.«
    Lidia spürte, wie ihre Aufregung zunahm, als sie der Aufforderung nachkam. Der Sessel neigte sich nach hinten, kaum dass sie Platz genommen hatte, und sein weiches Material passte sich ihrem Körper an.
    »Floyd, ich weiß wirklich nicht, ob ich bereit bin, ganz allein …«
    Der Alte beugte sich vor und berührte mit dem Zeigefinger ihre Lippen. »Wenn du nicht bereit wärst, hätte man dich nicht hierher geschickt. Hab Vertrauen zu dir selbst. Einmal ist immer das erste Mal. Leg die Hände in die Sensormulden.«
    Lidia schob ihre Hände in die Mulden der Armlehnen und fühlte einen kühlen Kontakt an den Fingerkuppen. Ein Sensormodul kam aus der Kopflehne des Pilotensessels und verharrte an ihrer Stirn.
    Floyd, der trotz seiner Blindheit ein klares Bild von der Umgebung hatte, gab den beiden Akuhaschi ein Zeichen. Einer von ihnen berührte Schaltelemente, und die Wände veränderten sich. Linsen schienen sich in ihnen zu öffnen, erweckten den Eindruck von Fenstern. Lidia sah den Raumhafen und die Stadt so, als befände sich der Pilotendom ganz oben auf dem Raumschiff und nicht tief in seinem Inneren.
    »Bring uns nach oben«, sagte Floyd ruhig. »Bring uns ins All.«
    Lidia öffnete den Mund – und schloss ihn wieder, als sie begriff, dass es nicht nötig war, nach dem Wie zu

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