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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Eismassen Teile der alten Xurr-Stadt unter sich zermalmten. Dies war eine andere Art von Tod, noch schrecklicher als Erfrieren. Valdorian lief schneller, floh vor Eis und Finsternis, folgte dem matten Glühen der Chemo-Lampe – das plötzlich verschwand.
    Eine Sekunde später verlor Valdorian den Halt und rutschte in die Tiefe. Das Licht erschien wieder, weiter vorn und in der Tiefe; er sah, dass es Cordoban und Jonathan wie ihm ergangen war. Das glatte Eis bot kaum Halt, und deshalb genügte die knappe Neigung des Hanges, die Männer immer schneller nach unten rutschen zu lassen. Glücklicherweise gab es nirgends Vorsprünge oder scharfe Kanten.
    Nach mehreren Minuten endete die Rutschpartie an einer Wand, die aus dem vertrauten mumifizierten Gewebe bestand. Valdorian prallte dagegen, wie zuvor Cordoban und Jonathan, und die ledrige Substanz absorbierte seine kinetische Energie, wirkte wie ein Kissen. Einige Sekunden lang blieb er schnaufend liegen, kam dann wieder auf die Beine und stützte sich an der Wand ab. Jonathan stand zwei Meter entfernt an einem Riss und leuchtete, während Cordoban halb durch die Öffnung kletterte, die breit genug war, um sie passieren zu lassen.
    »Ich sehe eine blaue Markierung.« Cordoban schob sich zurück. In seinem blassen Gesicht zeigte sich keine Freude, nur Zufriedenheit. »Wir sind am Rand des Labyrinths, und der Tunnel dort führt zum Schacht der Probebohrung.«
    Erleichterung erfasste Valdorian, doch unmittelbar darauf wurde ihm ein neues Problem klar. »Die Frage ist nur: Wo befindet sich der Schacht von hier aus gesehen? Wenden wir uns in dem Tunnel nach links oder nach rechts?«
    »Nach links«, sagte Cordoban.
    »Nach rechts«, kam es gleichzeitig von Jonathans Lippen.
    Sie kletterten durch den Riss und blieben unschlüssig stehen.
    »Jonathan?«, fragte Valdorian.
    »Es ist nur so ein Gefühl«, erwiderte der Sekretär.
    »Cordoban?«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns auf der linken Seite des Labyrinths befinden. Dafür spricht auch der Umstand, dass wir von links kommen, aus einem noch nicht mumifizierten Bereich der Stadt, während sich das Gewebe hier …« Cordoban deutete auf die Wände des Tunnels. »… verändert hat. Wenn wir uns nach links wenden, erreichen wir die dem Empfangsbereich gegenüberliegende Seite des Labyrinths, und dort befindet sich der Schacht der Probebohrung.«
    Valdorian kannte den Strategen gut genug, um den besonderen Unterton in seiner Stimme zu hören. »Aber ganz sicher sind Sie nicht.«
    »Nein, Primus.«
    »Na schön.« Valdorian atmete tief durch. »Wir gehen nach rechts.«
    Cordoban richtete einen Blick auf ihn, der vages Erstaunen zum Ausdruck brachte, nickte dann Jonathan zu und ging los.
    Schon nach wenigen Schritten fühlte Valdorian eine Schwäche, die neue Sorge in ihm weckte. Er musste seine Kräfte schonen, wenn er überleben wollte, wenn er lange genug überleben wollte, um Lidia zu finden. Derartige Strapazen verkürzten die Zeit, die ihm noch blieb. Und wenn er jetzt die falsche Entscheidung getroffen hatte, wenn sich der Schacht nicht etwa in der Richtung befand, in der sie unterwegs waren, sondern in der anderen …
    Valdorian schüttelte diesen Gedanken ab, konzentrierte sich stattdessen auf seine Rache und stellte sich vor, wie er jene Leute bestrafen würde, die ihm nach dem Leben trachteten. Eine einfache Hinrichtung kam natürlich nicht infrage. Auch kein »Unfall« wie bei Arik Dokkar. Wer auch immer die Bombe in den Empfangsbereich und die Killerdrohne ins Labyrinth geschickt hatte – er sollte leiden. Infrage kam zum Beispiel ein drogeninduzierter Limbus. Oder der Einsatz spezieller Mikronauten, die organisches Gewebe benutzen konnten, um sich selbst zu reproduzieren. Es gab noch andere Möglichkeiten, und während der vergangenen Jahrzehnte hatte Valdorian gelegentlich von ihnen Gebrauch gemacht, nicht zum Vergnügen, sondern um seine politisch-ökonomischen Gegner und Rivalen innerhalb und außerhalb des Konsortiums abzuschrecken. Diesmal aber ging es ihm einfach nur um Rache. An diesen Gedanken klammerte er sich fest, als sie durch den Tunnel schritten, der kleiner war als die Tunnel im Labyrinth, dessen Wände aber aus der gleichen ledrigen Substanz bestanden, aus mumifiziertem Gewebe. Das Licht der Chemolampe glitt geisterhaft hin und her, hielt die Dunkelheit auf Distanz, und während Valdorian das Glühen beobachtete, schien die Finsternis anzuschwellen und näher zu kriechen, ein dunkles,

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