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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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sich die Kälte erneut durch. Irgendwann, nach Sekunden, Minuten oder Stunden, blieb Valdorian stehen, weil seine Füße tonnenschwer geworden waren. Er sank zu Boden, und Jonathan nahm neben ihm Platz, keuchte ebenso ausgelaugt wie er. Es gab keine Flucht vor der Kälte – sie triumphierte.
    Valdorian schlief ein.
    Später wusste er nicht zu sagen, wie lange er geschlafen hatte. Wieder packten ihn Hände an den Schultern und rüttelten ihn, aber sie gehörten nicht Jonathan, sondern einem anderen.
    Valdorian öffnete die Augen und blinzelte im Licht heller Lampen. Cordoban zog ihn auf die Beine, während sich zwei Soldaten um Jonathan kümmerten.
    »Es war richtig von Ihnen, dem Gefühl Ihres Sekretärs zu vertrauen«, sagte Cordoban und wechselte die Batterie von Valdorians Thermoanzug. »Wenn Sie auf mich gehört hätten, wären wir jetzt tot. Ich habe herausgefunden, wem wir die Bombe und die Killerdrohne verdanken.«
    Valdorian sah ihn stumm an.
    »Ihrem Sohn Benjamin.«
     
     

10
Tintiran
10. September 301 SN ·  linear
     
    Leichter Wind zupfte sanft am feuerroten Haar der Betreuerin Rita, als sie im Schatten des riesigen Raumschiffs stehen blieb.
    »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Diamant«, sagte sie und benutzte diesmal den Pilotennamen. »Heute werden Sie zum ersten Mal ein Kantaki-Schiff fliegen. Und wir …« Ihre Lippen formten ein zartes Lächeln. »Vielleicht sehen wir uns nie wieder.«
    »Ich danke Ihnen.« Lidia schüttelte ihr die Hand. »Für alles.«
    Rita lächelte noch einmal, drehte sich dann um und ging in Richtung des zentralen Raumhafengebäudes. Lidia sah ihr kurz nach, dachte an Feydor und die anderen, blickte dann an dem gewaltigen Gebilde vor ihr empor. Das Raumschiff ragte wie ein Berg auf, grau und schwarz, bestand aus hunderten von einzelnen Segmenten, die wie von einem kubistischen Künstler zusammengesetzt wirkten. Man konnte sich kaum vorstellen, dass ein solches Gebilde fähig war, aufzusteigen und zu fliegen. Und ich soll es steuern, dachte Lidia voller Ehrfurcht.
    Das Schiff ruhte auf mehreren schwarzen Dornen, die angesichts der kolossalen Masse lächerlich fragil wirkten. Dort waren die Schatten dichter als hier am Rand, und etwas bewegte sich zwischen ihnen.
    Lidia trat näher. Sie hatte erwartet, von einem Akuhaschi in Empfang genommen zu werden, vielleicht sogar von einem Kantaki; stattdessen erwartete sie ein Mensch, ein Mann, dessen Alter sie auf über hundert Standardjahre schätzte.
    Er trug einen etwas zu großen lindgrünen Overall mit Kantaki-Symbolen an der Brust und auf der Schulter, angeordnet zu kleinen Fünfergruppen. Falten bildeten ein komplexes Muster im schmalen Gesicht des Alten und formten tiefe Täler in der hohen Stirn. Das kurze graue Haar wirkte wie Flaum, und buschige weiße Brauen wölbten sich über den ebenfalls weißen Augen.
    Der Mann war blind, und Lidia hielt vergeblich nach einer technischen Seehilfe oder einem Bio-Servo Ausschau.
    »Bitte entschuldigen Sie«, sagte sie. »Man erwartet mich hier. Ich bin …«
    »Du bist Diamant«, sagte der Alte. »Ich bin Floyd.« Er streckte ihr die Hand entgegen.
    Lidia griff überrascht danach. Floyd drückte kurz zu, ließ dann wieder los. »Kantaki-Piloten duzen sich«, sagte er.
    »Sie …«, begann Lidia verblüfft. »Du …«
    »Du bist erstaunt, weil ich blind bin, nicht wahr?« Es klang amüsiert. »Und doch sehe ich mehr als die meisten anderen Leute. Komm.«
    Mit sicheren, zielstrebigen Schritten führte er Lidia zu einem der schwarzen Dorne, und als sie näher kamen, bildete sich eine Öffnung, wie eine Tür.
    Doch an der betreffenden Stelle schien sich die Substanz des Dorns einfach aufzulösen. Floyd trat ohne zu zögern hinein, und Lidia folgte ihm. Sie spürte eine subtile Veränderung, vergleichbar mit der, die sie beim Durchschreiten des Portals der Sakralen Pagode in Bellavista wahrgenommen hatte.
    »Du kannst stolz sein, dass man ausgerechnet dieses Schiff für dich ausgewählt hat«, sagte Floyd, als sich mattes Licht auf sie herabsenkte und sie behutsam nach oben trug.
    Es war ein sehr angenehmes Gefühl, wie eine Umarmung. »Es gehört Mutter Krir. Sie ist eine der Großen Fünf. Du weißt doch, was es damit auf sich hat, oder?«
    Lidia nickte. Dann erinnerte sie sich an Floyds Blindheit und sagte: »Ja.«
    Bei den Großen Fünf handelte es sich um das Kantaki-Äquivalent eines Regierungsgremiums. Sie hüteten den Sakralen Kodex, und in dieser Funktion trafen sie Entscheidungen

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