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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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erkennen konnte.
    »Offenbar befinden wir uns außerhalb des Labyrinths«, sagte der Sekretär, als er Valdorian auf die Beine half. Einige weitere Schrammen zeigten sich in seinem Gesicht, aber abgesehen davon schien er den Sturz gut überstanden zu haben. »In einem bisher unerschlossenen Bereich der Stadt. Hier hat das Xurr-Gewebe seine ursprüngliche Beschaffenheit bewahrt. Erstaunlich.«
    Valdorian fragte sich, wie man in einer derartigen Situation Interesse für die Xurr und ihre Hinterlassenschaften aufbringen konnte.
    »Cordoban?«, fragte er in die Dunkelheit.
    »Hier drüben«, erklang es aus der Finsternis. »Ich habe die Lampe verloren.«
    Sie fanden den Strategen neben einem geborstenen Eisblock, der ebenfalls von der hohen Decke herabgefallen war und ihn nur knapp verfehlt hatte. Valdorian sah ölige Flüssigkeit, die aus einem breiten Riss des Thermoanzugs quoll. Eine neue Wunde. Oder eine der alten war aufgeplatzt.
    »Was ist mit Ihren Batterien?«, fragte Cordoban.
    Sie überprüften die Thermoanzüge.
    »Sechs Prozent Ladung«, sagte Jonathan, und Valdorian nickte; bei ihm sah es ähnlich aus. »Die Individualschilde haben einen großen Teil der Restenergie verbraucht.«
    »Uns bleibt höchstens noch eine Stunde«, teilte Cordoban seinen beiden Begleitern in einem sachlichen Tonfall mit. »Dann funktionieren die Heizelemente der Anzüge nicht mehr.«
    Noch eine, vielleicht anderthalb Stunden, um den Liftschacht zu finden. Valdorian erzitterte innerlich, und es lag nicht an der Kälte. Hatte das Schicksal entschieden, ihn hier sterben und im Eis erstarren zu lassen, ihn wie die Xurr-Stadt der Nachwelt zu erhalten?
    Sie befanden sich nicht in einem Tunnel, aber die genaue Größe des Raums blieb unklar, denn der Lichtschein von Jonathans Chemo-Lampe reichte nur wenige Meter weit. Die Welt jenseits davon bestand aus Schwärze. Die drei Männer verließen den Bereich des Netzes und der weichen Bodenmasse, schritten über einen Eiskeil, den der gewaltige Gletscher in diesen Teil der Xurr-Stadt hineingetrieben hatte. Oft kam dumpfes Knirschen aus der Dunkelheit, und manchmal spürte Valdorian leichte Erschütterungen im Boden.
    »Ich fürchte, die Explosion der Drohne hat diesen Bereich des Eismantels destabilisiert.« Cordoban holte das Sondierungsgerät hervor, blickte aufs kleine Display, schüttelte den Kopf und steckte es wieder ein. »Erst die Bombe im Empfangsbereich, dann die Drohne … Die beiden Druckwellen könnten im Eis zu fatalen Strukturrissen geführt haben.«
    »Mit anderen Worten: Es wäre möglich, dass uns der Gletscher auf den Kopf fällt?« Jonathan hob die Lampe, aber ihr Licht reichte nicht bis zur Decke, glitt nur etwas weiter an der nahen Eiswand empor.
    »Zumindest ein Teil von ihm«, erwiderte Cordoban. »Ein Grund mehr zu versuchen, den Schacht der Probebohrung so schnell wie möglich zu erreichen.«
    Während sie über den Eiskeil schritten, schien es immer kälter zu werden. Selbst die Bewegungen halfen jetzt nicht mehr. Valdorian spürte auf sehr unangenehme Weise, wie sich der Frost in seinen Leib fraß, und die Furcht vor dem drohenden Ende gewann eine neue Dimension. Zuerst war ihm die Möglichkeit, an diesem Ort zu sterben, absurd erschienen, dann als eine grässliche Möglichkeit; jetzt gewann diese Aussicht an Realität, wurde immer wahrscheinlicher. Hilfloser Zorn entflammte in ihm und vertrieb zumindest einen Teil der Kälte. Valdorian hielt ihn fest und versuchte nicht, dieses Empfinden aus sich zu verbannen, denn es gab ihm Kraft. Trotzige Entschlossenheit sorgte dafür, dass er weiterhin einen Fuß vor den anderen setzte. Er stellte sich vor, nach oben zurückzukehren und Vergeltung zu üben für Bombe und Drohne. Wer auch immer hinter dieser Sache steckte: Er sollte es bitter bereuen.
    Aus dem Knacken wurde dumpfes Donnern, und das Eis unter Valdorian erzitterte. Jonathan blieb stehen und hob die Lampe. Eisstaub wogte in der kalten Luft.
    »Offenbar sind hinter uns weitere Brocken heruntergefallen«, sagte Jonathan. An einigen Stellen zeigten sich Gewebeansammlungen im Eis, wie im Frost erstarrte Organe. Es knirschte, und Risse bildeten sich im Eiskeil.
    »Los!«, rief Cordoban und stürmte voran, dichtauf gefolgt von Jonathan. Valdorian setzte sich schon allein deshalb in Bewegung, weil er fürchtete, von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Hinter ihm gab organisches Gewebe mit einem Geräusch nach, das an zerreißende Tücher erinnerte, als tonnenschwere

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