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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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des enorm angeschwollenen Riffmeers erreichte das geborstene Fenster, strömte herein, stieg höher, immer höher, Emmerson reckte entsetzt den Hals, schnappte nach Luft…
    Das Wasser verschwand, und er stand vor dem Fenster, das wieder existierte und so fest und undurchlässig war, wie es sein sollte.
    Hinter ihm erklangen verwirrte Stimmen, und eine war lauter als alle anderen. Sie gehörte Tanbert.
    »Was geht hier vor?«
    Emmerson sah an sich herab – seine Beine steckten nicht mehr im Boden des Apartments.
    Sirenen heulten in der Stadt, und tanzende Lichter in den Verkehrskorridoren deuteten darauf hin, dass Dutzende oder gar hunderte von Levitatorwagen außer Kontrolle geraten waren. Emmerson versuchte noch einmal, Gebrauch von seinem Kom-Servo zu machen. Diesmal leuchteten die Funktionsindikatoren auf, aber er konnte keine Verbindung mit Elroy Tobias in der NHD-Zentrale herstellen.
    »Unsere Geräte funktionieren nicht mehr«, sagte einer der Sekuritos.
    Emmerson wandte sich an Tanbert. »Aus irgendeinem Grund scheint das Kom-Netz in Chiron ausgefallen zu sein. Ich schlage vor, Sie setzen hier ihre Untersuchungen fort. Was auch immer dort draußen geschieht – Ihre Kollegen können sich darum kümmern.«
    Das Nicken des Sekuritos sah Edwald Emmerson gar nicht mehr, denn er ging mit langen Schritten zur Tür. Im Gemeinschaftsflur des Gebäudes zögerte er am Levitatorlift und entschied sich dann für die Treppe.
    Draußen offenbarte sich ihm das ganze Ausmaß des Chaos. Abgestürzte Levitatorwagen lagen nicht nur in den Verkehrskorridoren, die Bodenfahrzeugen vorbehalten waren, sondern auch in den für Fußgänger reservierten verkehrsfreien Zonen. Das flackernde Licht von Flammen fügte sich dem Glühen von Lampen hinzu. Noch immer heulten Sirenen, nah und fern. Menschen eilten hin und her; einige von ihnen versuchten, den Verletzten zu helfen.
    Ein Blick in die Runde genügte, und Emmerson entschloss sich, zu Fuß zu gehen. Glücklicherweise war sein Ziel, die Einsatzzentrale der Sekuritos von Chiron, nicht weit entfernt. Jetzt gab es zwei Gründe für ihn, dort mit Petrokos zu sprechen, dem Großkommissar der Sekuritos. Der eine hieß Raimon. Der andere war eine Frage, die lautete: Was ist mit der Stadt passiert?
    Während er ging, beobachtete er mit großer Aufmerksamkeit, was um ihn herum geschah. War das, was er in Ruben Lorgards Apartment erlebt hatte, mehr als nur eine Halluzination? Gab es einen Zusammenhang mit dem unbekannten Etwas, das bewirkt hatte, dass Levitatorwagen abgestürzt waren und viele Geräte nicht mehr funktionierten? Nicht alle mit Levitatoren ausgestattete Fahrzeuge waren vom Nachthimmel gefallen. Zufall? Oder das Ergebnis eines selektiven Faktors?
    Um die Einsatzzentrale zu erreichen, musste Emmerson eine lange, schmale Brücke überqueren, die über einen Nebenkanal des Deltas führte. Nach einigen Metern gesellte sich der akustischen Kulisse aus Sirenengeheul, Rufen, aufgeregten Stimme und dem Brummen von Levitatoren ein weiteres Geräusch hinzu, ein seltsames Gluckern, Schmatzen und Platschen. Er trat ans Geländer und blickte nach unten. Das Licht der Brückenlampen reichte aus, um einige Meter weiter unten Einzelheiten zu erkennen. Dutzende, hunderte von Schlammspringern verließen die Sicherheit bietenden überwucherten Uferbereiche und sprangen durchs Wasser, in Richtung Riffmeer: die Weibchen dick und wie aufgeplustert, die Männchen klein, begleitet von den Fekundanten, ohne die eine Befruchtung nicht möglich war – sie klebten auf den Rücken der Männchen und sahen aus wie Geschwüre.
    Edwald Emmerson lebte lange genug in Chiron, um zu wissen, dass dieser Vorgang einzigartig war. Die so genannte Fruchtwanderung fand einmal im Jahr statt, und bis dahin würde es noch einige Monate dauern. Was hatte die Schlammspringer veranlasst, schon jetzt aufzubrechen, ausgerechnet an diesem Abend?
    Er ging weiter, durch eine Stadt, die sich allmählich beruhigte. Es stürzten keine weiteren Fahrzeuge ab; alle Levitatoren schienen wieder einwandfrei zu funktionieren. Das Geheul der Sirenen ließ nach; Ambulanzen brachten Verletzte fort.
    Als Edwald Emmerson die mehrstöckige Einsatzzentrale der Sekuritos unweit des Hafens betrat, gewann er den Eindruck, dass es zu einer kurzen Erschütterung kam. Er blieb stehen und sah sich um, aber die Menschen um ihn herum – Sekuritos in rostbraunen Uniformen und bunt gekleidete Zivilisten – schienen nichts bemerkt zu haben. Emmerson kam bis

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