Kantaki 02 - Der Metamorph
sich eindeutig nicht um ein meteorologisches Phänomen«, erwiderte Boris.
Natürlich nicht, dachte Filip. Meteorologische Vorgänge des Planeten können sich auf uns in der Umlaufbahn nicht auswirken.
»Es lassen sich auch keine außergewöhnlichen solaren Aktivitäten feststellen«, fuhr der junge Mann vor. Seine Hände waren in ständiger Bewegung, berührten immer wieder Schaltelemente, riefen Daten ab und fügten sie den bereits entstandenen Korrelationsmustern hinzu. Ein Projektionsfeld bildete sich vor dem Panoramafenster und zeigte eine spinnenwebartige Struktur mit Fäden, die von einem gemeinsamen Zentrum ausgingen. Die einzelnen Fäden waren nicht gerade, sondern krumm und verdreht. Die Darstellung schob sich über den Planeten, und ihr Zentrum befand sich über dem Riffmeer, nicht sehr weit von Chiron entfernt – die Lichter der Stadt glühten durch Lücken zwischen den Wolken.
»Was ist das?«, fragte Filip.
»Eine temporale Anomalie«, erklärte Boris. »Inzwischen hat sie sich stabilisiert. Aber weitere temporale Eruptionen sind nicht auszuschließen.«
»Als der Zeitkrieg stattfand, war Kerberos noch nicht besiedelt«, sagte Girdo. »Ich habe nie davon gehört, dass die Zeitmechaniker der Kantaki und Feyn hier irgendwelche Portale geschlossen haben.«
»Dies ist keine Anomalie, wie wir sie kennen. Eine Art… Trichter scheint sich zu bilden, ein Tunnel durch die Zeit.«
Die spinnenwebartige Struktur verformte sich und wurde zu einer Spirale mit immer engeren Windungen.
»Aber wie konnte es dazu kommen? Wodurch entsteht auf Kerberos plötzliche eine temporale Anomalie? Welche Ursache hat dieses Phänomen?«
»Bestimmt keine natürlichen. Die aus dem Zeitkrieg stammenden Aufzeichnungen in den Datenbanken zeigen gewisse strukturelle Parallelen.«
Die Blicke der drei anderen Besatzungsmitglieder ruhten auf Boris. In seinem vorher so blassen Gesicht bemerkte Filip jetzt einige Flecken. Ein Zeichen von Aufregung?
»Und das bedeutet?«, fragte er.
»Ich glaube, wir haben es mit dem Versuch der Temporalen zu tun, in unsere Zeit zurückzukehren.«
23 Krümmungen
Kerberos
16. April 421 SN
21:15 Uhr
»Die Sicherheitsservi des Apartments haben den Alarm ausgelöst«, sagte der leitende Sekurito.
Edwald Emmerson sah sich um. Keine Verwüstungen. Alle Dinge in Ruben Lorgards Wohnung standen und lagen an ihrem Platz, soweit er das beurteilen konnte. Der Datenservo…
»Wann?«, fragte er und näherte sich dem Gerät. Ein jüngerer Sekurito stand davor und betrachtete die Daten im pseudorealen Darstellungsbereich.
Der die Untersuchungen leitende Uniformierte folgte ihm. »Vor einer halben Stunde. Der Sicherheitsdienst des Gebäudes hat uns verständigt, und wir sind sofort hierher gekommen und haben Ihnen Bescheid gegeben.«
»Wenn Sie gestatten…« Edwald Emmerson schob den jungen Mann beiseite und deaktivierte den Datenservo. »Dieses Gerät enthält vertrauliche Daten von NHD.«
»Wir können es versiegeln, wenn Sie wünschen«, bot sich der leitende Sekurito an. Auf seinem Namensschild stand Tanbert.
»Das ist nicht nötig. Nach der Deaktivierung kann die Datenabfrage nur nach Eingabe einer Berechtigungssequenz erfolgen.« Emmerson sah sich noch einmal um und kehrte dann dorthin zurück, wo sich Blutspuren und Gewebereste am Boden zeigten. »Die Ergebnisse der genetischen Analyse sind eindeutig?«
»Ja«, bestätigte Tanbert, während die anderen Sekuritos ihre Untersuchungen fortsetzten. Sie fertigten Aufnahmen an, suchten nach Spuren und werteten die von den verschiedenen Servi im Apartment aufgezeichneten Daten aus. »Das organische Material stammt von Rubens Lorgard.«
»Er ist getötet worden.«
»Darauf deutet alles hin.«
»Und der Rest der Leiche?«
Tanbert vollführte eine vage Geste. »Der Mörder hat sie irgendwie verschwinden lassen.«
»Wie?«
»Das weiß ich leider nicht.«
Edwald Emmerson seufzte leise. »Die Tür war gesichert, nicht wahr? Und die Fenster geschlossen?«
»Ja.«
»Wie ist der Mörder in die Wohnung gelangt?«
»Vielleicht befand er sich bereits hier, bevor Rubens Lorgard die Fenster schloss und die Tür sicherte.«
»Selbst wenn das der Fall wäre, müsste es in den Aufzeichnungen der Servi einen Hinweis darauf geben. Aber wie verließ der Mörder die Wohnung, noch dazu mit den Resten der Leiche?«
Der Sekurito wirkte verunsichert. »Es ist alles sehr rätselhaft.«
Nein, ist es nicht, dachte Edwald Emmerson. Die Antwort liegt
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