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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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auf der Hand.
    Er trat zu einem der breiten Fenster und blickte nach draußen in die Nacht. Das Unwetter war inzwischen weitergezogen, und es regnete kaum mehr. Der Lichterteppich der Stadt, der Schein eines Mondes, der durch eine Lücke in der Wolkendecke fiel, das Riffmeer, das sich silbern bis zum Horizont erstreckte…
    Alles wirkte friedlich. Aber Edwald Emmerson wusste nur zu gut, wie sehr der Schein trog. Ein überaus gefährliches Geschöpf trieb sich in der Stadt herum, darauf programmiert zu töten.
    Wir sind alle in Gefahr, dachte er und erinnerte sich an das Tötungsprogramm. Er war hier, der Metamorph.
    Für ein Wesen wie ihn stellten gesicherte Türen und geschlossene Fenster kein Hindernis dar.
    Der Kom-Servo in seiner Tasche summte. Emmerson holte das kleine Gerät hervor und schaltete es ein. Ein pseudoreales Projektionsfeld entstand, und darin erschien das Gesicht von Elroy Tobias.
    »Wir haben einen ersten Bericht«, sagte der neue NHD-Sicherheitschef.
    »Einen Augenblick.« Emmerson ging in den Flur, betrat das Schlafzimmer, schloss die Tür und ging in eine Ecke des Zimmers. »Ich höre.«
    »Mehrere Spitzelservi haben Lutor verfolgt, als er die Suite im Hotel Caravel verließ«, sagte Elroy Tobias. »Er scheint eine Spur gefunden und mit konkreten Ermittlungen begonnen zu haben.«
    »So schnell?«
    »Globaldirektor Turannen hat sicher nicht ohne Grund ausgerechnet ihn hierher geschickt. Was auch immer man von ihm halten mag, er scheint sehr tüchtig zu sein.«
    »Und?«
    »Er hat mit mehreren Personen gesprochen. Seine Untersuchungen scheinen sich auf einen etwa zwölf Jahre alten Jungen namens Raimon zu konzentrieren.« Tobias schilderte Raimons Hintergrund. »Ein Mitglied der Aufgeklärten Gemeinschaft, Bruder Eklund, hat Raimon als seinen Novizen zur Zitadelle mitgenommen. Interessanterweise kam es dort kurze Zeit später zu zwei rätselhaften Morden.« Er berichtete von Xalon und dem Hirten.
    Emmerson nickte langsam. »Ein dritter Mord wurde verübt. Rubens Lorgard ist tot.«
    Tobias reagierte erschrocken.
    Emmerson nannte die Einzelheiten. »Meiner Ansicht nach deutet alles auf den Metamorph hin.«
    »Glauben Sie, der Junge…«
    »Lutor scheint es für möglich zu halten. Die Frage ist, was wir jetzt…«
    Der pseudoreale Darstellungsbereich verschwand. Emmerson versuchte, das Gerät erneut zu aktivieren, doch die Kontrollen reagierten nicht. Nach kurzem Zögern stand er auf, öffnete die Schlafzimmertür, kehrte ins Wohnzimmer zurück…
    Ein sonderbarer Widerstand stellte sich seinen Bewegungen entgegen – die Luft schien sich zu verdichten, die Konsistenz erst von Wasser und dann von Brei zu gewinnen. Die Sekuritos im Wohnzimmer standen wie erstarrt, vorgebeugt und gebückt, hier eine Hand gehoben, dort eine ausgestreckt. Emmerson glaubte zunächst, dass sie völlig reglos waren, aber als er genau hinsah, beobachtete er Bewegungen wie in extremer Zeitlupe, und gleichzeitig hörte er ein dumpfes Brummen, wie von sehr in die Länge gezogenen Stimmen.
    Edwald Emmerson ging an den Blut- und Gewebespuren auf dem Boden vorbei, und jeder einzelne Schritt kostete viel Kraft, denn der Widerstand, der sich ihm entgegensetzte, schien stärker zu werden. Am breiten Fenster blieb er stehen, dort, wo er zuvor gestanden hatte, und versuchte erneut, den Kom-Servo zu aktivieren. Das Gerät funktionierte noch immer nicht.
    Das Fenster vor ihm quoll auf, wölbte sich langsam nach innen und platzte. Splitter wogten Emmerson entgegen, und instinktiv hob er die Arme, um das Gesicht zu schützen. Aber nicht ein Fragment berührte ihn. Die Splitter verflüssigten sich und verdampften, bevor sie ihn erreichten, und er fühlte nur kurz eine feuchte Hitze. Ihr folgte ein Knistern, wie von statischer Elektrizität kurz vor der Entladung.
    Das dunkle Wasser im Delta… Es schien zu brodeln und zu kochen. Inseln schrumpften, als es rasend schnell anstieg, schneller als bei jeder anderen Flut, die Kerberos je erlebt hatte. Lichter erloschen, als die dunklen Fluten sie erreichten und weiterstiegen, die letzten Inseln im Delta verschlangen, die Uferbefestigungen überspülten, an Gebäuden nicht emporkrochen, sondern emporschossen…
    Irgendetwas veranlasste Emmerson den Blick zu senken, und er stellte fest, dass er in den Boden des Apartments gesunken war, bis zu den Knien. Er versuchte, das rechte Bein aus der weichen Masse zu lösen, in die sich der Boden verwandelt hatte, aber er steckte fest. Das dunkle Wasser

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