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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Zeit in Anspruch nehmen. Sie haben sicher viel zu tun.«
    »Mehr als mir lieb ist.« Petrokos erhob sich ebenfalls und betätigte ein Schaltelement. Die Tür seines Büros öffnete sich wieder, und das Stimmengewirr im Flur schwappte herein. »Übrigens… Ich habe vergeblich versucht, den Autokraten zu erreichen. Wissen Sie, wo er steckt?«
    »Nein. Sprechen Sie mit Raphael.«
    Sie traten in den Flur. »Habe ich. Er weiß ebenfalls nicht, wo Stokkart ist. Angeblich.«
    Petrokos schüttelte Emmerson die Hand und kehrte in sein Büro zurück. Mehrere uniformierte Sekuritos folgten ihm mit Infonauten.
    Emmerson hörte das akustische Signal seines Kom-Servos und holte das offenbar wieder funktionierende Gerät hervor. Eine pseudoreale Darstellung von Elroy Tobias erschien.
    »Direktor…« Der neue Sicherheitschef von NHD Kerberos lächelte. »Ich habe herausgefunden, wer Lutor wirklich ist.«
     
     

24  Schwingen
     
Kerberos
16. April 421 SN
22:05 Uhr
     
    »Ich will nicht, ich will nicht«, sagte Raimon und schüttelte heftig den Kopf.
    Der Junge lag lang ausgestreckt auf einer Liege in einem Zimmer der neurologischen Abteilung des Hospitals. Eine haubenförmige Vorrichtung senkte sich herab, und Raimon starrte so zu ihr empor, als handle es sich um ein Fallbeil.
    »Keine Angst, Elisabeth will dir nichts antun.« Eklund trat näher an die Liege heran und legte die Hand auf die Schulter des zitternden Jungen, der sich daraufhin ein wenig zu beruhigen schien. »Mit diesem Gerät können wir vielleicht die vielen Stimmen in deinem Kopf sehen und dir helfen.«
    Er nickte Elisabeth zu.
    Die Ärztin schaltete den neuralen Scanner ein. Grünliches Licht fiel auf den Kopf des Jungen, der die Augen noch immer weit aufgerissen hatte. Eklund berührte ihn erneut an der Schulter, und der physische Kontakt schien Raimon zu helfen.
    Linien erschienen auf einem zweidimensionalen Projektionsfeld an der Wand. Auf der linken Seite zeigten sich Ruhemuster, auf der rechten dramatische Ausschläge, die sich ständig veränderten. Elisabeth hatte es Eklund vorher erklärt: Die linke Seite präsentierte das normale Aktivitätsmuster eines Gehirns, die rechte Raimons neurale Aktivität.
    Einige glatte Linien auf der linken Seite entwickelten auf der rechten Zacken und Spitzen.
    »Er ist erregt«, sagte Elisabeth leise zu Eklund. Dann wandte sie sich an den Jungen. »Versuch bitte, dich auf eine der Stimmen in deinem Kopf zu konzentrieren. Vielleicht auf die lauteste. Oder auf die, die dir am wenigsten Schmerz bereitet.«
    Raimons Augen bewegten sich. Sein Blick ließ die Haube des Scanners los, glitt zur Ärztin, und in den dunklen Pupillen zeigte sich ein sonderbarer Glanz. »Was mache ich hier?«, erklang die verwundert klingende Stimme einer Frau.
    Weitere Linien erschienen auf der rechten Seite des Projektionsfelds, wie die wachsenden und schrumpfenden Wellenberge eines Ozeans.
    »Töte«, flüsterte die Stimme eines Mannes aus Raimons Mund. »Töte. Töte.«
    Immer mehr Linien entstanden, und ihre Zackenmuster überlagerten die anderen. Das Zittern des Jungen wurde stärker, und Eklund schloss seine Hand etwas fester um Raimons Schulter. »Elisabeth? Ich weiß nicht, ob dies eine gute Idee ist. Ich…«
    »Tötetötetöte!«, heulte der Junge, richtete den Oberkörper abrupt auf und stieß mit dem Kopf so heftig an die Kante des Scanners, dass die Haut aufplatzte und Blut hervorquoll.
    Eine geistige Faust packte Eklunds Bewusstsein, schloss sich fest darum und riss es mit sich.
    Er jagte durch einen Wirbelwind aus Bildern, so schnell, dass er keine Einzelheiten erkennen konnte, nur vage Eindrücke von Farben wahrnahm. Die meisten waren dunkel, braun und schwarz, und immer dann, wenn er Licht sah und sich ihm zuwenden wollte, drückte die Faust fester zu und quetschte sein Selbst zusammen. Für ein oder zwei Sekunden sah er das alte Portal, das ins Elysium führte, die Welt über der Welt. Es blieb geschlossen, ließ ihn nicht passieren, aber gleichzeitig wusste er, dass dies – was auch immer es war – zum Elysium gehörte.
    Wind seufzte, blähte die Segel eines Schiffes, dessen Rumpf durch ein türkisfarbenes Meer pflügte. Es war eine steife Brise, die die Takelage knarren ließ, und Eklund fühlte, wie sich das große Schiff langsam hin und her neigte, wie ein Geschöpf, das auf seinem Ruhelager nach einer bequemen Position suchte.
    Am Bug stand Raimon und blickte über den Ozean zum fernen Horizont. Der Wind zerrte an seiner

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