Kantaki 02 - Der Metamorph
aber bevor er danach greifen konnte, traf ihn die Faust des Metamorphs und schickte ihn erneut in den Staub auf der Straße.
»Übungsmodus«, ächzte er und stemmte sich wieder hoch.
Der Mann in Schwarz kam auf ihn zu, und nichts verlangsamte ihn. Ein blitzschneller Schlag, viel zu schnell, als dass der immer noch ein wenig benommene Lutor ihm hätte ausweichen können. Diesmal traf ihn die Faust des Metamorphs zwischen Hals und linker Schulter, und einmal mehr wurde er von den Beinen gerissen. Er stieß mit solcher Wucht gegen die Reste einer Stahlkeramikmauer, dass er für ein oder zwei Sekunden das Bewusstsein verlor. Als er wieder sehen konnte, stand sein Gegner vor ihm, und diesmal war er nicht mehr unbewaffnet. Die rechte Hand des Metamorphs hielt ein Schwert, nicht so groß wie der Flamberg, aber zweifellos dazu geeignet, schwere Verletzungen zu verursachen und zu töten. Der Metamorph hob es und…
Lutor versuchte nicht aufzustehen. »Programm sofort beenden«, sagte er.
Die schwarze Gestalt mit den langsamer wechselnden Gesichtern verschwand ebenso wenig wie ihr Schwert, dessen silberne Klinge zu glühen schien. Sie kam näher…
»Programm…sofort… beenden…«, sagte Lutor. Etwas dehnte seine Stimme und die Worte, zog beides in die Länge. Welten überlagerten sich: hier graue Ruinen und Staub, dort das Anderswelten-Zimmer einer Hotelsuite, ein Raum, der Sicherheit versprach. Aber er war weit entfernt, eine Membran aus Pseudorealität trennte ihn davon, während das Schwert immer näher kam. Lutor riss die Augen auf, starrte auf die Spitze und beobachtete, wie sie seine Brust berührte, sich wie in Zeitlupe hineinbohrte, begleitet von einem dumpfen Schmerz, der schnell heißer wurde und sich in sein Fleisch brannte.
Ich will nicht töten, flüsterte die Stimme des Metamorphs aus einer seltsamen Welt zwischen dem Hier und Dort. Aber wenn ich muss…
Programm… sofort… BEENDEN!, dachte/rief Lutor und öffnete den Mund, um ein letztes Mal nach Luft zu schnappen und zu schreien…
Eklund blinzelte mehrmals, als er aus dem Elysium in die Welt unter der Welt zurückkehrte. Raimon lag vor ihm, und die schreckliche Wunde in seiner Brust existierte nicht mehr. Glatte Haut zeigte sich dort, wo Blut direkt aus dem Herz geströmt war. Die Gliedmaßen zuckten nicht mehr. Ganz ruhig lag der Junge da, mit verändertem, älter wirkendem Gesicht, reglos und wie tot. Eklund streckte die Hand aus und berührte ihn, spürte erleichtert die Wärme des Lebens und sah Raimon atmen.
Noch immer brodelte der Fluss, und das Boot schaukelte auf den Wellen, aber die Strömung war stärker geworden und das rechte Ufer mehrere Dutzend Meter entfernt. Eklund suchte vergeblich nach dem langen Stock; als er ihn losgelassen hatte, musste er über Bord gefallen sein.
Weiter vorn und mehr zur Flussmitte hin ragten spitze Felsen aus den braunen Fluten des Acheron, ein ganzer Wald von ihnen.
»Die Nadelfelsen«, sagte Eklund leise und begriff, welche Gefahr ihnen drohte. Nicht weit hinter den Nadelfelsen stürzten die Wasser des Acheron über eine fast hundert Meter hohe Klippe – der Große Katarakt, so nannte man jene Stelle. Er blickte weiter stromabwärts und glaubte, in der Ferne eine Dunstwolke zu erkennen, die über dem Wasserfall hing.
»Raimon?«
Der Junge rührte sich nicht. Was auch immer er hinter sich hatte, er war offenbar sehr erschöpft. Selbst wenn er erwachte: Vermutlich fehlte ihm die Kraft, sich noch einmal in das drachenartige Wesen zu verwandeln und zu fliegen.
Eklund griff in die Tasche und holte den Kom-Servo hervor. Vom Großen Katarakt war es nicht mehr weit bis nach Chiron; vielleicht genügte jetzt die Reichweite des Geräts. Als er den Servo einschaltete, wies das Piepen nach abgeschlossener Autodiagnose erneut auf einwandfreie Funktion hin.
»Ich wünsche eine Verbindung mit Elisabeth Demetrio«, sagte Eklund.
Einige Sekunden lang geschah gar nichts, und er befürchtete, dass sein Kommunikationsversuch auch diesmal erfolglos blieb. Doch dann bildete sich über dem Zylinder ein pseudoreales Darstellungsfeld, und das Gesicht von Elisabeth erschien darin. Sie schien geschlafen zu haben. Ihr Haar war zerzaust, und dunkle Erschöpfungsringe lagen unter ihren Augen.
»Bist du das wirklich, Eklund?«
»Ja, und ich brauche deine Hilfe«, sagte er schnell. »Verschieben wir Erklärungen auf später. Ist es mit dem Navigationsservo deines Levitatorwagens möglich, die Signale dieses Kom-Servos
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