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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Metamorph«, sagte Lutor und blieb als Kordun vor dem Maskierten stehen. »Und ich bin gekommen, um dich zur Strecke zu bringen.«
    »Willst du mich töten?«
    »Ja«, sagte Lutor und legte seine ganze Entschlossenheit in dieses eine Wort.
    »Ich habe getötet. Ich wollte es nicht, aber ich habe getötet. Die vielen Stimmen in mir… Sie zwangen mich dazu. Ich bin wir. Wir sind ich. Ich bin tausend. Ich bin zahllos. Und sie alle sollen töten…«
    Lutor schlug zu. Er nutzte Korduns herrliche Agilität und bewegte das Schwert wie eine Verlängerung seines Arms, ließ es durch die Luft schneiden, dorthin, wo der Metamorph stand.
    Aber er stand nicht mehr da…
    Lutor warf sich zur Seite, rollte sich ab und war eine halbe Sekunde später wieder auf den Beinen, den Zweihänder bereit. Der Maskierte stand am Rand der Straße, doch im Staub zeigten sich nur Lutors Fußabdrücke.
    »Willst du mir nicht helfen?«, fragte der Mann in Schwarz.
    »Wobei?«
    » Sie zu finden. Ich habe sie überall gesucht, aber ich finde sie nicht. Weißt du, wo sie ist?«
    »Wovon redest du da?«, fragte Lutor. Der Fremde ihm gegenüber… Er fühlte sich anders an als bei den vorherigen Begegnungen. Er schien verwirrt zu sein, wirkte schwächer… Ich kann ihn bezwingen, dachte Lutor, und diese Gewissheit gab ihm zusätzliche Kraft.
    Die Gestalt vor ihm hob eine leere Hand und nahm die Maske ab. Das Gesicht darunter war nicht ein Gesicht, sondern hunderte, tausende. Sie wechselten einander ab, gingen ineinander über, verschmolzen, flossen wieder auseinander.
    »Wer bin ich?«, fragte der Metamorph mit gequält klingender Stimme.
    Lutor/Kordun knurrte und griff an.
     
    Eklund blickte besorgt auf den Jungen hinab. Er lag auf einem weichen Lager aus Zweigen und Blättern im vorderen Teil des Bootes, das von der Strömung des Acheron getragen langsam am nahen Ufer vorbeitrieb. Raimons tiefer, ohnmachtähnlicher Schlaf dauerte an, aber er schien darin keine Ruhe zu finden und stöhnte immer wieder. Gelegentlich zuckten Arme und Beine, und die Augen unter den geschlossenen Lidern waren in ständiger Bewegung. Eklund saß weiter hinter im Boot und versuchte, es mit einem langen Stock zu steuern.
    »Schlaf, Raimon, schlaf«, sagte er sanft und duckte sich, um nicht gegen einen niedrigen, weit übers Wasser ragenden Ast zu stoßen. »Ruh dich aus. Schöpf neue Kraft.« Er überlegte, ob er vom Elysium aus versuchen sollte, einen Kontakt mit dem Selbst des Jungen herzustellen, aber dazu hätte er ans Ufer zurückkehren müssen, und derzeit konnte er keine dafür geeignete Stelle erkennen. Überall war die Vegetation dicht, bestand aus Büschen mit Dornen, dichten Sträuchern und Bäumen mit niedrigem Geäst. Während Eklund nach einem freien Bereich Ausschau hielt, bemerkte er sonderbare Aktivität. Zweige bewegten sich, wo kein Wind wehte. Geöffnete Blütenkelche neigten sich wie auf der Suche nach etwas hin und her. Kobaltfliegen stiegen auf und bildeten dichte, wolkenartige Schwärme. Das Wasser des Flusses begann zu brodeln, und hunderte von Netzfängern sprangen, schnappten vergeblich nach den Kobaltfliegen und fielen zurück. Das Boot schaukelte plötzlich auf Wellen, die von heftigen Bewegungen im Wasser verursacht wurden.
    Eklund hielt sich mit beiden Händen fest. »Was geht hier vor? Raimon…«
    Er sah erneut zum Jungen und beobachtete, wie sich in Raimons linkem Arm eine blutende Wunde bildete.
     
    Der Mann mit den vielen Gesichtern wich zur Seite aus, aber nicht schnell genug. Lutors Schwert traf ihn am Arm, und Blut quoll aus dem tiefen Schnitt.
    Der Metamorph blickte darauf hinab. »Ich will nicht töten«, sagte er.
    Lutor sah eine Chance und zögerte nicht, sie zu nutzen. Er griff erneut an, schwang das lange, schwere Schwert wie einen leichten Degen, aber diesmal traf die Klinge nur leere Luft. Sein Gegner war erneut ausgewichen, ohne jede wahrnehmbare Bewegung, und starrte weiterhin auf den Schnitt im Arm. Schließlich verharrte Lutor, um sich nicht zu verausgaben. Blut tropfte aus der Wunde des Metamorphs, aber die Tropfen blieben nicht etwa auf dem Boden liegen, sondern wurden zu dünnen roten Würmern, die auf die Füße des Mannes zukrochen und unter seiner Kleidung – wenn es Kleidung war – verschwanden. Eine Fingerkuppe berührte die Wunde im Arm, die sich daraufhin schloss.
    Noch immer wechselten die Gesichter einander ab, aber nicht mehr so schnell wie vorher. Erste Züge stabilisierten sich. »Ich will nicht töten«,

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