Kantaki 02 - Der Metamorph
sagte der Mann, der Metamorph, und eine andere Stimme fügte hinzu: » Töte! «
Lutor sprang vor, holte erneut aus und schlug zu, doch wieder stand sein Gegner plötzlich woanders, obwohl er sich nicht bewegt hatte. Er begriff, dass er auf diese Weise nicht weiterkam.
Der Wind wurde stärker, zischte über die Ruinen und wirbelte Staub auf.
»Ich will nicht töten«, wiederholte der Metamorph, und wieder erklang eine andere Stimme, leiser als vorher: » Töte! «
Dies ist nicht die reale Welt, erinnerte sich Lutor. Ich bin mit einem AW-Datenservo verbunden. Die Frage, wie der Metamorph Teil einer Anderswelt sein konnte, deren Programm ihn nicht vorsah, schob er beiseite. Das bedeutet, dass es hier gewisse Möglichkeiten geben könnte.
»Übungsmodus«, sagte er, sprang, hob das Schwert…
Diesmal blieb der Metamorph an Ort und Stelle, und so etwas wie Überraschung huschte durch eines der vielen Gesichter. Er neigte den Oberkörper zur Seite, entging dadurch dem Hieb und schlug mit der Faust zu, traf den Zweihänder mit solcher Wucht, dass Lutor die Waffe aus der Hand gerissen wurde. Dieser reagierte mit dem Kampfgeschick von Kordun, warf sich nach vorn, prallte gegen den Metamorph und riss ihn mit sich zu Boden.
Lutor fand sich auf seinem Gegner kniend wieder. Er hob die Hand, deren Finger plötzlich um den Griff eines Messers geschlossen waren, stieß zu und rammte dem Metamorph die Klinge ins Herz.
Die Schnittwunde im Arm des Jungen hatte sich geschlossen, aber seine Gliedmaßen zuckten immer heftiger, während die sonderbaren Aktivitäten von Fluss und Wald andauerten. Der Acheron schien zu kochen, und am Ufer schwankten die Bäume, obwohl kein annähernd so heftiger Wind wehte. Ganze Schwärme von funkelnden Dreiaugen stiegen auf, obwohl diese flugkäferartigen Geschöpfe nachtaktiv waren und sich normalerweise nie am Tag zeigten. Schlammspringer kamen aus ihren Löchern am Ufer, rollten hin und her.
Aus den grünen Tiefen des Kontinentalwaldes tönte ein Konzert aus kreischenden und quiekenden Lauten. Die ganze Welt schien verrückt zu spielen.
Raimon ächzte, und Blut quoll aus einer tiefen Wunde in seiner Brust, mitten aus dem Herzen.
Eklund ließ den langen Stock, mit dem er bisher gesteuert hatte, einfach fallen, kroch durch das heftig schaukelnde Boot nach vorn und vergaß alles andere. Nur der Junge war jetzt noch wichtig. Er berührte ihn und tastete nach der Kraft, wie so oft zuvor…
… und fand sich in der ockerfarbenen Öde wieder. Er sah die vertraut gewordenen weißen Türme, die zu versuchen schienen, sich in den dunklen Himmel zu bohren und die dahineilenden Wolken festzuhalten. Raimon stand in der Nähe, nackt wie im Boot, und diesmal blickte er nicht zum fernen Podest mit der immer noch leeren Sitzbank, sondern zum Loch im Himmel, geschaffen vom Licht der Türme. Eklund gewann den Eindruck, dass es kleiner geworden war, und dass weniger fremde Augen von dort auf die Welt herabstarrten.
Raimons Gesicht… Es hatte sich verändert und wirkte nicht mehr so kindlich.
»Ich will nicht töten«, sagte er leise. »Ich habe es fast geschafft. Die Stimmen tun nicht mehr so weh, und bald werden sie zu einer Stimme, zu meiner, so wie alle Gesichter zu meinem Gesicht werden. Ich muss zu ihr. Seit so langer Zeit wartet sie auf mich. Doch er… hält mich fest.«
»Wer hält dich fest, Raimon?«
»Ich will nicht töten, aber…«
Der Junge senkte den Kopf. Blut strömte aus einer tiefen Wunde in seiner Brust.
»Bei der Weltseele!«, entfuhr es Eklund. »Raimon, ich kann dir nicht helfen, aber du bist ein Selbstheiler! Was auch immer mit dir geschieht – besinn dich auf die Kraft im Elysium.«
Die Augen des Jungen glänzten feucht. »Ich will nicht töten. Wenn ich töte, werden die Stimmen lauter, und dann tun sie wieder weh.«
»Was auch immer dich bedroht, wehr dich!«
Lutor/Kordun drehte das Messer in der Wunde und schrie in der Welt des Staubs und des Zerfalls, genoss seinen Triumph.
Der Metamorph unter ihm setzte sich nicht zur Wehr, versuchte nicht, nach dem Messer zu greifen und es aus der Wunde zu ziehen. Stattdessen sagte er ruhig: »Ich will nicht töten, aber wenn ich muss…«
Und dann stand er, und Lutor flog mehrere Meter weit, bevor er schwer auf den Boden prallte, das blutige Messer noch immer in der rechten Hand. Er kam sofort wieder auf die Beine und warf das Messer nach seinem Gegner, der ihm mühelos auswich. Lutor versuchte, sein Schwert zu erreichen,
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