Kantaki 02 - Der Metamorph
genannte Artefakte gefunden, und von einem geht eine… negative Kraft aus. Wenn sie expandiert, könnten alle Bewohner von Kerberos in Gefahr geraten.« Plötzlich fielen ihm die sonderbaren Halluzinationen der vergangenen Nacht ein, kurz bevor es in der Stadt durch den Ausfall von Levitatoren und anderer Systeme zum Chaos gekommen war. Gingen sie auf eine Aktivitätsphase der Anomalie und jener dunklen Energie zurück? Handelte es sich dabei vielleicht um einen Vorgeschmack dessen, was sie erwartete?
»Die Flotte…«, sagte er leise.
»Die Schiffe senden keine ID-Signale. Aber ich glaube, wir können davon ausgehen, dass es eine Flotte der Allianz ist.«
»Fast sechshundert Schiffe? Um das Hades-System zu übernehmen, das überhaupt keine strategische Bedeutung hat? Und wenn es wirklich eine Flotte der Allianz ist, und wenn sie das Kantaki-Schiff zerstört hat…«
Elroy Tobias wechselte einen kurzen Blick mit Emmerson. »Der Sakrale Kodex.«
»Ja«, bestätigte Emmerson. »Es könnte darauf hinauslaufen, dass die Kantaki die Welten der Allianz isolieren.«
»Eine Katastrophe für hunderte von Planeten.«
»Praktisch das Ende der Allianz.«
Ein Schatten fiel auf den Levitatorwagen, der gerade die künstliche Insel des Autokraten passiert hatte. Emmerson hob den Blick zum Himmel und sah das fast hundert Meter lang gestreckte Oval eines Kampfsschiffs der Tiger-Klasse, begleitet von fünf deltaförmigen, sechzig Meter langen Jägern der Panther-Klasse. In größerer Höhe am Firmament zeigten sich weitere Schiffe, kaum mehr als Punkte im Blau.
»Wir werden bald erfahren, wer mit einer so großen Flotte gekommen ist«, sagte Emmerson. »Aber wer auch immer es sein mag: Vielleicht können wir die vielen Kampfschiffe gut gebrauchen, wenn das Etwas im Meeresgrund vollends erwacht.« Er deutete nach vorn. »Zum Raumhafen, Elroy.«
Der Raumhafen von Chiron erstreckte sich auf einer großen, künstlich angelegten Insel im Westen des Acheron-Deltas. Nach den schwarzen Kolossen von Kantaki-Schiffen hielt Edwald Emmerson vergeblich Ausschau, als sie sich der Insel näherten. Dafür sah er mehrere zwiebelförmige Springer der Horgh – er fragte sich, ob sie nach der Isolation ebenfalls im Hades-System festsaßen oder ob ihre Sprungschiffe das, was dieses Sonnensystem vom Rest des Universums trennte, durchdringen konnten. Hier und dort waren interplanetare Kampfschiffe gelandet: gleich mehrere Einheiten der Tiger-Klasse, zahlreiche Panther-Jäger und auch einige Gefechtsshuttles. Levitatorplattformen mit montierten Hefok-Geschützen bewegten sich zwischen ihnen. Soldaten gingen in Position; andere rückten vor.
Elroy Tobias richtete die visuellen Scanner auf einen von ihnen und aktivierte den Zoom, woraufhin die ferne Gestalt das ganze pseudoreale Projektionsfeld ausfüllte. Ein hoch gewachsener, etwa dreißig Jahre alter Mann, der wie ein Mensch aussah, aber keiner war, zumindest kein normaler. Emmerson sah die graue Haut eines gentechnisch manipulierten Hominiden, die schwarzen Augen eine Kombination aus organischer Materie und Mikroservi, die eine weit über den gewöhnlichen Standard hinausgehende visuelle Wahrnehmung ermöglichten. Der Soldat trug einen leichten Kampfanzug, grau wie seine Haut, und daran zeigten sich keine Insignien.
»Das sind keine normalen Menschen«, sagte Emmerson. »Wissen Sie von irgendeinem Projekt, das die Züchtung von Kämpfern vorsah, Elroy?«
»Ich bin bis vor kurzem nur ein einfacher Angehöriger der Sicherheitsabteilung von NHD gewesen, Chef. Mir hätte man davon bestimmt nichts erzählt. Und NHD beschränkt sich nicht nur auf Kerberos.«
Ein Gefechtsshuttle erschien direkt neben dem Levitatorwagen und richtete seine Waffen auf sie. Der Pilot im transparenten Cockpit deutete nach unten, und Tobias nickte, zeigte zum nahen Raumhafen und schaltete den Kom-Servo ein. »Wir sind unbewaffnet und landen vor dem Terminal. An Bord dieses Wagens befindet sich der planetare Direktor von NHD Kerberos.«
»Bestätigung«, antwortete eine emotionslose Stimme. »Landen Sie.«
Kurze Zeit später setzte der Wagen direkt vor dem zentralen Terminal auf, und das Brummen des Levitators verstummte. Die beiden Männer stiegen aus, und eine sonderbare Stille empfing sie. Emmerson hatte mit Aufregung gerechnet, mit Schreien und zornigen Stimmen, mit dem Summen und Fauchen von Triebwerken. Diese Ruhe wirkte noch viel beunruhigender. Er erinnerte sich an die Station auf dem Meeresgrund, an die Anlagen
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