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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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eintraf?
    »Raimon«, sagte er hilflos, »du würdest uns beiden einen großen Gefallen tun, wenn du beschließen könntest, jetzt zu erwachen.«
    Eklund horchte in den Äther der Kraft, mit der er heilte, und das Auge seines Geistes sah, dass Raimon sie so krümmte wie Gravitation die Raum-Zeit. Er war wie eine Delle in ihrer Struktur – alles neigte sich ihm entgegen. Das Elysium, so begriff Eklund, wurde immer mehr zu Raimons Universum. Diese Entwicklung hatte schon vor einer ganzen Weile begonnen, aber erst jetzt machten sich konkrete strukturelle Auswirkungen bemerkbar. Das Elysium veränderte sich und schien damit auf Veränderungen in Raimon zu reagieren. Die Verbindung zwischen dem Jungen und der Welt über der Welt wurde immer enger.
    Das Brodeln des Flusses in der Nähe des Bootes ließ nach, aber die Strömung wurde schneller, als sich das linke Flussufer in eine grüne Wand verwandelte, ebenso wie das rechte. Der Acheron verjüngte sich vor den Nadelfelsen und dem Katarakt, floss dadurch schneller, um nach dem Wasserfall, hundert Meter tiefer, wieder zu einem trägen Riesen zu werden.
    Eklund bemühte sich, das Boot zu steuern, indem er die Hand ins Wasser hielt, auf der linken Seite. Er versuchte nicht, zum rechten Ufer zurückzukehren, das inzwischen viel zu weit entfernt war, trachtete stattdessen danach, die Felsen zu erreichen. Noch war das Boot aus leichter, aber fester Synthomasse nicht schnell genug, um Gefahr zu laufen, bei der Kollision mit einem der Felsen zu zerschellen. Eklund hoffte, sich irgendwo festhalten zu können und dadurch wertvolle Zeit zu gewinnen. Immer wieder blickte er flussabwärts, über den Dunst hinweg, der den Katarakt markierte, hielt nach einem Levitatorwagen Ausschau. Aber in jener Richtung blieb der Himmel leer.
    Mit der freien Hand hob Eklund den Kom-Servo. Das Indikatorlicht zeigte, dass das kleine Gerät nach wie vor seine Identifikationssignale sendete, die dem Navigationsservo in Elisabeths Levitatorwagen als Wegweiser dienten. »Elisabeth, hörst du mich?«
    »Ja«, erklang ihre Stimme. »Ja, ich…«
    Das Boot schwankte plötzlich, als es gegen einen Felsen dicht unter der Wasseroberfläche stieß, und Eklund kippte zur Seite. Die linke Hand hing als improvisiertes Ruder im Wasser, und aus einem Reflex heraus versuchte er, sich mit der rechten festzuhalten.
    Der Kommunikationsservo fiel in den Acheron.
    Eklund wäre dem Gerät fast gefolgt bei dem Versuch, es festzuhalten. Das Boot schwankte noch stärker als vorher, aber glücklicherweise kenterte es nicht.
    »Hoffentlich kannst du mich jetzt noch finden, Elisabeth«, sagte Eklund.
    Mit einem leisen Zischen strömte das Wasser des Acheron an den ersten Nadelfelsen vorbei, und dieses Geräusch vereinte sich mit dem fernen Donnern des Katarakts. Eklund streckte erneut die linke Hand ins Wasser und versuchte, das Boot zu lenken, was jedoch kaum funktionierte, da es mit der Strömung trieb und praktisch kein eigenes, vom Wasser unabhängiges Bewegungsmoment hatte.
    Weltseele, dachte Eklund, bitte, lass mich jetzt nicht im Stich. Du hast mich mit einer Mission beauftragt, und ich möchte sie zu Ende bringen.
    Aus diesem Gedanken ging eine Erkenntnis hervor: Ja, er hatte eine Mission, daran zweifelte er längst nicht mehr, und es gab ein Ziel für ihn: Er musste den Jungen zum Mandala bringen. Dort erwartete ihn seine Bestimmung, woraus auch immer sie bestehen mochte.
    Zwischen zwei der peripheren Felsen geriet das Boot in einen Strudel, drehte sich langsam und kam dadurch einer der beiden Steinnadeln näher. Sie war völlig glatt, bot den Händen des Alten keinen Halt, aber Eklund nutzte die Gelegenheit, sich abzustoßen, wodurch das Boot dem anderen Felsen entgegenglitt, der wie geborsten aussah – irgendwann einmal schien schweres Treibgut mit ihm kollidiert zu sein. Das Boot verließ den Strudel, stieß an die rechte Seite des Felsens und geriet wieder in die Strömung, aber Eklund bekam einen Vorsprung zu fassen. Er griff mit beiden Händen zu und spreizte gleichzeitig die Beine, presste sie gegen die Innenseiten des schmalen Bootes, das neben der Felsnadel verharrte.
    Das Zerren an den Armen war erst nur ein wenig unangenehm, doch schon bald fiel es Eklund immer schwerer, sich an dem Felsen festzuhalten, denn die Strömung zog mit geduldiger Beharrlichkeit an dem Boot. Hinzu kam die verdrehte Haltung, die einen vergessenen Gegner auf den Plan rief: Aus dem anfänglichen Stechen in Eklunds Rücken wurde

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