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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Zwanzig…
    Zwei Arme streckten sich aus der offenen Tür des Levitatorwagens und wurden unmöglich lang, als sie nach Eklund tasteten. Es waren nicht Elisabeths Arme. Die Ärztin riss verblüfft die Augen auf und wich beiseite, machte Raimon Platz, der sich vorbeugte und mit Armen, die inzwischen auf eine Länge von fast drei Metern gewachsen waren, nach Eklund griff, ihn sanft und mühelos aus dem Boot hob, das genau in diesem Moment die Kante erreichte, kippte und fiel, in den brodelnden Wassermassen des Katarakts verschwand.
    Einige Sekunden später fand sich Eklund im Levitatorwagen wieder und blickte in Raimons Gesicht, das sich verändert hatte. Es war nicht mehr das Gesicht eines zwölfjährigen Jungen, eines Kindes. Dieses Gesicht wirkte viel reifer und hatte eine sonderbare… Tiefe.
    »Ich bin ich«, sagte Raimon, und diesmal huschten nicht die Schatten anderer Gesichter durch seine Miene. »Ich bin wir. Ich bin tausend. Ich bin eins. Sie wartet auf mich.«
     
    »Wer ist er?«, fragte Elisabeth, als der Levitatorwagen dicht über den Baumwipfeln des Kontinentalwaldes dahinglitt.
    Eklund, müde und erleichtert, antwortete nicht sofort und überlegte. Was konnte eine überzeugte Atheistin mit Hinweisen auf einen heiligen Auftrag anfangen? Und außerdem wusste er gar nicht, wer oder was Raimon war.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Aber mir ist klar, dass ich ihn schützen und zum Mandala bringen muss. Ich… habe es im Elysium gesehen«, fügte er hinzu, was nur ein Teil der Wahrheit war.
    Elisabeth drehte den Kopf und sah kurz nach hinten. Raimon, der andere, neue Raimon, saß im Fond und blickte aus dem Fenster. Seit jenen Worten unmittelbar nach Eklunds Rettung schwieg er und schien auch nicht auf ihre Gespräche zu achten.
    »Und warum?«, fragte sie. »Warum sollst du ihn zum Mandala bringen? Was passiert, wenn er dort ist?«
    »Das Mandala bietet ihm einen besonderen Zugang zum Elysium. Ich glaube, es gibt ihm die Möglichkeit, die Frau ohne Gesicht zu erreichen.«
    »Die Frau ohne Gesicht?«
    »Ich weiß nicht, wie ich es jemandem erklären soll, der nie die Welt über der Welt gesehen hat. Dort wartet jemand auf Raimon, seit langer, langer Zeit, eine Person, die wir beide als Frau ohne Gesicht gesehen haben. Das Mandala kann ihn zu ihr bringen.«
    »Und wenn er sie erreicht?«, fragte Elisabeth, und in ihrer Stimme hörte Eklund die Skeptikerin. »Was dann?«
    »Ich weiß nicht, was dann geschieht«, sagte er ehrlich. »Ich weiß nur, dass es sehr wichtig ist. Nicht nur für Raimon, sondern für uns alle.«
    »Und woher weißt du das?« Elisabeth sah kurz zur Seite. »Von deiner Weltseele?«
    »Bitte, glaub mir, Elisabeth«, sagte Eklund sanft und ernst. »Bitte, vertrau mir und bring uns zur Zitadelle.«
    Elisabeth sah auf die Kontrollen, blickte dann nach draußen. »Die sonderbaren Ereignisse der vergangenen Nacht. Jetzt die fremden Schiffe… Und Raimon.« Sie sagte es so, als gäbe es einen Zusammenhang, den man erkennen konnte, wenn man alles aus der richtigen Perspektive betrachtete. »Seine Arme… So schnelle Strukturveränderungen bei Gewebe und Knochen kenne ich nur von Adlaten.«
    »Sein Repertoire ist noch viel größer.« Eklund erzählte von den Geschehnissen im Kontinentalwald, von Raimons zweimaliger Verwandlung in ein Flugwesen. »Im Boot konnte er mir nicht helfen, weil er erschöpft war. Und er erwähnte etwas, das ihn festhielt.«
    Weiter vorn dehnte sich das im Licht der untergehenden Sonne glitzernde Band des Acheron und bildete ein Delta. Die ersten Ausläufer von Chiron gerieten in Sicht. Über der Stadt patrouillierten Gefechtsshuttles und deltaförmige Schiffe; aus der Ferne betrachtet wirkten sie wie metallene Insekten. Und aus dem Glühen der Sonne, die bestrebt zu sein schien, sich mit dem Silber des Riffmeers zu vereinen, näherte sich ein Shuttle.
    »Nicht schon wieder«, stöhnte Elisabeth.
    Eklund sah sie fragend an. »Ein solcher Shuttle hielt mich auf, als ich zu euch unterwegs war. Er wollte mich zur Landung zwingen – fast der ganze Flugverkehr über Chiron ist verboten. Ich habe immer einen Medo-Identer an Bord des Levitatorwagens, und mit seinen Signalen konnte ich den Piloten davon überzeugen, dass es sich um einen medizinischen Notfall handelte. Ich durfte den Flug fortsetzen.«
    »Zum Glück für uns.«
    »An nicht identifizierten Levitatorwagen«, klang es aus dem Lautsprecher des Kommunikationsservos. »Im Bereich von Chiron sind alle

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