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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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sah auf das Display. »Ich glaube, es ist weiter nichts. Vermutlich nur eine energetische Fluktuation. Sicher nicht ungewöhnlich für so komplexe Systeme.«
    Sie schritten über den stählernen Steg zur anderen Seite der großen Höhle, und Turannens Blick glitt umher, von der Unruhe in seinem Innern angetrieben. Indikatoren glühten an den Stasiseinheiten, gaben Auskunft über den Status der Schläfer. Das Summen der Lebenserhaltungssysteme schien an- und abzuschwellen, wie ein kollektiver Atem. In Gedanken hatte Turannen bereits damit begonnen, alte Pläne zu verwerfen, neue zu entwickeln, die überraschenden Ereignisse der letzten Tage und Stunden zu neuen Strategien zu verarbeiten.
    Sie verließen die Höhle mit den Schläfern und gingen durch einfache Korridore, folgten dem Weg, den ihnen das Display des Infonauten zeigte. Nach etwa zehn Minuten erreichten sie eine breite Tür, die aus mehreren ineinander verzahnten Segmenten bestand. Sie glitten sofort beiseite, als Amadeus mit dem Infonauten ein Signal sendete, und dahinter erwartete sie ein hell erleuchteter runder Raum, gewissermaßen das Nervenzentrum des Arsenals. Zahlreiche pseudoreale Darstellungsbereiche an den gewölbten Wänden zeigten die vielen Räume und Höhlen im Innern des Planetoiden: Kavernen mit Raumschiffen, Ausrüstungsmaterial, Waffen, Kampfanzügen, Proviantkonzentraten; Schläfer-Höhlen mit Stasisbehältern; Räume mit Installationen, Generatoren, Datenservi, kleine Laboratorien, mit dem Notwendigsten ausgestattet.
    Turannen war langsam weitergegangen, während er die Darstellungen betrachtet hatte, aber nach einigen Metern blieb er abrupt stehen, konfrontiert mit einer Frage, die er sich sofort hätte stellen müssen. Er sprach sie laut aus.
    »Warum sind die hiesigen Systeme aktiv?«
    Und er bekam Antwort.
    »Weil ich sie eingeschaltet habe.«
    Weiter vorn drehten sich zwei Sessel an den Konsolen. In einem saß Enbert Dokkar, im zweiten Benjamin Valdorian.
     
     

Abseits der Zeit
     
    Die gnadenlos am Himmel brennende Sonne erschien Valdorian vertraut, ebenso die endlose Wüste, die sich um ihn herum erstreckte. Ein schmaler Weg führte durch die Öde und schrumpfte hinter ihm, wenn er einen Schritt vortrat. Weiter vorn, kaum mehr als einen Steinwurf entfernt, sah er eine schwarze Tür, wie ein rechteckiges Loch in der Luft. Ihre Schwelle, so wusste er, trennte das Leben vom Tod. Er hatte sich schon einmal an diesem Ort befunden, wo auch immer dieser sich befinden mochte. Hier war er seinem Vater begegnet, der ihn aufgefordert hatte, die Tür zu durchschreiten und sich dem Tod zu stellen.
    Diesmal stand nicht sein Vater auf dem Weg, sondern sein Sekretär Jonathan, mit weit aufgerissenen Augen, wortlos und erstarrt.
    »Jonathan?«, brachte Valdorian hervor.
    »Er hört Sie nicht«, ertönte eine Stimme. Sie klang seltsam, wie eine sonderbare Mischung aus Glätte und Kratzen.
    Am Rand des Weges stand ein humanoides Wesen, dessen Haut – oder Kleidung – aus silbrigen, sich überlagernden Schuppen bestand, die bei jeder Bewegung leise knisterten. Die langen, zweigelenkigen Arme endeten in Händen, die nicht mit Fingern ausgestattet waren, sondern mit kleinen Tentakeln. Der dünne, knorrig wirkende Hals trug einen Kopf, der aussah wie eine auf der Spitze stehende Pyramide. Seltsame Faltenmuster umgaben einen Nasenschlitz und den dünnen Strich eines Mundes. Die großen Augen im Gesicht waren pechschwarz, und das Licht der lodernden Sonne glitzerte in ihnen.
    Valdorian erinnerte sich an das Geschöpf. Er hatte es schon einmal gesehen, im Endzeittempel auf Kabäa, im Innern der Anomalie.
    Ein Temporaler. Ein Feind aus dem Zeitkrieg.
    Er senkte den Blick. Ein halb durchsichtiger kristallener Keil ruhte in seiner Hand, etwa vier Zentimeter lang und mit einem Durchmesser von zwei Zentimetern an der dicksten Stelle. Der… Zeitschlüssel.
    »Ich heiße Agorax«, sagte das Wesen. »Ich bin bereit, Ihnen zu helfen. Wenn Sie mir helfen.«
    Jonathan starrte noch immer, gefangen in einem Moment der Zeitlosigkeit.
    »Wieso… verstehe ich Sie?«, brachte Valdorian hervor. »Ich habe keinen Linguator. Und… was hat dies alles zu bedeuten?«
    Die Begegnung mit Lidia, ihre Weigerung, ihm zu helfen, Zorn, der Hass auf die Kantaki, die an allem schuld waren… Alles kehrte zu ihm zurück, eine donnernde Lawine aus Erinnerungen und Emotionen, die sein Bewusstsein auszulöschen drohte. Er taumelte, hielt sich nur mit Mühe auf den Beinen und begriff

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