Kantaki 02 - Der Metamorph
verließ.
Der Boden des Schleusenraums war noch feucht, und das Wasser hatte den typischen Geruch von Meer hinterlassen. Aber hinzu kam noch etwas anderes. Stokkart schnupperte kurz und ahnte, dass er es sich wahrscheinlich nur einbildete, aber er glaubte, Rätselhaftigkeit zu riechen. Er trat durch die Innentür, vorbei an einer dicken Wand aus Stahlkeramik, die dem gewaltigen Druck des Wassers in dieser Tiefe standhalten konnte, und auf der anderen Seite, in einem einfachen Instrumentenraum, erwartete ihn Professor Ulgar, der wie immer ein wenig nervös wirkte. Sein Blick huschte über die Taschen des Thermoanzugs und des Instrumentengürtels, aber Stokkart schüttelte den Kopf.
»Ich muss Sie enttäuschen, Professor. Ich habe keine neue Dosis mitgebracht. In letzter Zeit nehmen Sie zu viel davon.«
Der Exoarchäologe Ulgar war etwa sechzig, kleiner als Stokkart und schlank, hatte aber ein schwammiges, wie aufgedunsenes Gesicht, dessen linke Hälfte seltsam starr blieb, fast wie tot. Stokkart wusste, dass es damit einen Hinweis auf regelmäßigen Konsum von Tranquilo bot, und manchmal fragte er sich, welchen inneren Dämon Ulgar mit jener Kerberos-Droge zu besänftigen versuchte. Aber normalerweise interessierten ihn solche persönlichen Dinge nicht. Ihm kam es nur darauf an, dass Ulgar gute Arbeit leistete, und dass er sich auf ihn verlassen konnte. Mehr oder weniger regelmäßiger, aber nicht zu häufiger, Nachschub an Tranquilo half ihm dabei, die Loyalität des Professors zu garantieren.
Stokkart deutete zur wartenden Liftkabine. »Sehen wir uns an, welche Fortschritte Sie erzielt haben.«
Ulgar zögerte und schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und betrat die Kabine. Der Autokrat folgte ihm und wusste die Körpersprache des Professors durchaus zu deuten: Sie wies auf Enttäuschung hin.
»Beim nächsten Mal bringe ich Ihnen etwas mit«, versprach er.
»Es ist nicht nur das.« Ulgar wandte sich der Kontrolltafel zu und drückte eine Taste. Die Tür glitt zu, und die Liftkabine setzte sich in Bewegung, sank in den Meeresgrund. »Wir sind nicht weitergekommen.«
»Überhaupt nicht?«, fragte Stokkart, seinerseits enttäuscht.
»Zumindest nicht in Hinsicht auf einen Zugang zum Innern des Artefakts.«
Einige Sekunden lang schwiegen die beiden Männer, und das leise Summen des Lifts schien anzuschwellen, die Stille füllen zu wollen. Dann verharrte die Kabine, und ihre Tür öffnete sich. Stokkart wusste, dass sie sich jetzt mehr als zwanzig Meter unter dem Meeresboden befanden.
Ulgar ging voraus, und der Autokrat folgte ihm durch einen Gang, dessen Wände aus Stahlkeramik und Synthomasse bestanden. Unterwegs begegneten sie einigen »Arbeitern«: künstlichen Geschöpfen, entworfen von NHD-Designern und aus Basismasse in NHD-Laboratorien geschaffen. Es handelte sich um experimentelle Hybriden, die auch im Wasser leben und mit kiemenartigen Atemwerkzeugen Sauerstoff aufnehmen konnten, den Druck in dreitausend Metern Tiefe mühelos aushielten. Sie sahen aus wie Zwerge, die versuchten, ihre geringe Größe durch mehr Breite auszugleichen. Ein kurzer, aber sehr flexibler Hals verband den sich nach vorn verjüngenden Kopf mit einem muskulösen Rumpf, der an den sichtbaren Stellen mehrere Bio-Servi aufwies. Auf Stokkart wirkten die Wesen wie Kreuzungen zwischen Affen und Delphinen, aber es gab noch andere Merkmale, die nicht zu einer solchen Mischung passten, wie zum Beispiel die Haut, die aus winzigen Hornplatten bestand und mehr an die von Schlangen erinnerte.
Die halbintelligenten Arbeiter wichen beiseite, brummten leise und wankten auf kurzen Beinen weiter, als Ulgar und Stokkart vorbeigegangen waren.
Kurz darauf erreichten Autokrat und Professor den Raum mit dem Artefakt.
»Wo sind die anderen?«, fragte Stokkart, als er sah, dass abgesehen von ihnen niemand zugegen war. Außer Ulgar arbeiteten noch sechs andere Wissenschaftler unter der Leitung des Professors an dem geheimen Projekt, jeder von ihnen für ein anderes Fachgebiet zuständig.
»Rupert und Diana werten die letzten Sondierungsdaten aus«, erwiderte Ulgar. »Diesmal haben wir Mikronauten eingesetzt, die die Sedimentgesteine mühelos durchdringen können, ohne ihre Stabilität zu gefährden. Mit den von ihnen gewonnenen Messdaten sollte es möglich sein, einen genaueren Eindruck von Form und Ausmaß des Artefakts zu gewinnen. Frilor und die anderen befinden sich in ihrer Ruhephase. Ihr Arbeitszyklus beginnt in…«
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