Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
in der Öffentlichkeit auftrat und an Konferenzen teilnahm, dabei die Statements abgab, die der Stratege für ihn vorbereitet hatte, fand um ihn herum ein gewaltiger kosmischer Konflikt statt. Die Welt, in der er sich bewegte, hätte ohne den zweiten von den Temporalen gewonnenen Zeitkrieg nie existiert, aber für alle, die in ihr lebten, war es die einzige Welt, die sie kannten, ihre einzige Realität. Valdorian wusste, dass sie sich ändern konnte, selbst gewaltige Veränderungen dauerten nicht länger als ein Blinzeln, und deshalb fürchtete er sich davor, auch nur die Augen zu schließen; er fürchtete sich vor dem, was er sehen würde, wenn er sie wieder öffnete, wenn er nach kurzem, unruhigem Schlaf erwachte. Er fürchtete die Fremdartigkeit, die hinter der Fassade des Vertrauten lauerte, in dem Leben, das der andere Valdorian in dieser Welt geführt hatte, die Fremdartigkeit, die in den besonderen politischen und wirtschaftlichen Konstellationen zum Ausdruck kam. Er versuchte, nicht den Überblick zu verlieren, aber zwischen den Bildern seiner Erinnerung und denen dieser Realität gab es teilweise große, verwirrende Unterschiede. Er fürchtete selbst die Momente, in denen nichts geschah, denn jeder von ihnen brachte ihn jenem Moment näher, in dem etwas geschehen würde.
»Primus?«, flüsterte Cordoban an seiner Seite.
Seine Lider zuckten, ein kurzes Blinzeln, ohne dass sich die Welt veränderte. Valdorian hatte sich von den eigenen Gedanken forttragen lassen, aber jetzt kehrte er zurück … in den Konferenzraum einer Raumstation, die Tintiran in einer Höhe von fast tausend Kilometern umkreiste und zu einem ausgedehnten Werft- und Habitatkomplex gehörte – einen Teil davon konnte man durch die Wand aus transparenter Stahlkeramik sehen. Valdorians Blick streifte über die am ovalen Tisch sitzenden Delegierten und verharrte kurz an den pseudorealen Darstellungen von Personen, die per Transverbindung an diesen Besprechungen teilnahmen. Fremde Gestalten, fremde Gesichter. Ein Ambientalfeld auf der anderen Seite des Tisches enthielt einen Nichtmenschen, dessen Spezies er nicht einmal kannte. Wie sollte er sich allein in dieser Welt zurechtfinden?
Aber er brauchte auch gar nicht allein in ihr zurechtzukommen. Er hatte Cordoban.
Nein, dachte er. Cordoban hat mich.
Er blickte auf den Infonauten, erinnerte sich an die Worte und richtete sie an die Gesandten der dreiundzwanzig Autonomen Ökonomischen Einheiten, insgesamt fast hundert Personen, sprach mit der Stimme des Mannes, der er immer gewesen war, des Mannes, der außerhalb des Schachbretts stand und die Figuren darauf so bewegte, wie er wollte. Und während er sprach, dachte er: Wie lautet die Stimme des Mannes, der ich nicht gewesen bin?
Dies hatte er in den vergangenen mehr als zwei Wochen gelernt: zu sprechen und dabei an ganz andere Dinge zu denken. Das war nicht unbedingt ein Vorteil, denn es ermöglichte ihm, an seine Furcht zu denken, an all die Dinge, die passieren konnten.
Nach dem kurzen Vortrag übernahm Cordoban die Leitung der Konferenz, präsentierte Entwicklungspläne und erläuterte sie. Es mangelte ihm nicht an Kompetenz, stellte der politisch-wirtschaftliche Experte in Valdorian fest, und er ging ganz offensichtlich in seiner Rolle auf. Er benutzt mich als Werkzeug. So wie mich auch Agoron und Olkin als Werkzeug benutzt haben.
Olkin …
Valdorian schauderte innerlich, und sein Blick glitt wieder zur durchsichtigen Wand. Irgendwo dort draußen lauerten er und der Omnivor, nicht in diesem Kosmos, in einem anderen, aber mit der Möglichkeit, überall dort Tunnel durch Raum und Zeit zu bohren, wo es ihnen beliebte.
Zwei Kampfshuttles des Konsortiums schwebten an den Flanken des Habitatbereichs vorbei, der hell das Licht Mirlurs reflektierte, und sie erinnerten Valdorian an die Sicherheitsmaßnahmen. Wo auch immer er sich aufhielt, es standen immer schwer bewaffnete Levitatorwagen oder Fluchtschiffe bereit. Mobile Schildprojektoren warteten ebenso auf den Einsatz wie Mikronauten, Kampfdrohnen und Soldaten aus Cordobans Eliteeinheiten. Natürlich blieb alles dezent und im Hintergrund, nicht einmal dann leicht zu erkennen, wenn man genau hinsah, aber der Aufwand war groß.
Es zeigt, wie viel ich Cordoban wert bin, dachte Valdorian und fragte sich, ob es mithilfe solcher Sicherheitsvorkehrungen möglich war, einen Angriff wie den auf Xandor zu vereiteln. Er hätte es gern für möglich gehalten, auf einer rein rationalen Ebene, doch der
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