Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
mir. Oben, im Transraum, verbinden Fäden alles Existierende, vom Kleinsten bis zum Größten, und unten, im Fundament des Seins, erstreckt sich das Gespinst der Kausalität, und seine Fäden verbinden all das, was gewesen ist und jemals sein wird. Und in der Schönheit dieses Gespinstes sind wir ein schmutziger Fleck, ein hässlicher Makel.«
    Agoron sah in die trüben Augen des alten Eternen und glaubte, in ihnen das zu erkennen, was Tyragon einst gesehen hatte, im Moment seiner tiefsten Meditation: die sakrale Schönheit all der Dinge, die durch unbeeinflusste Kausalität einen Platz im Universum finden konnten. Jede noch so kleine Veränderung tilgte etwas, das vielleicht einmal existiert hätte.
    »Es ist falsch«, sagte er leise, und jedes einzelne dieser Worte schien mit dem Gewicht eines Berges auf ihm zu lasten. »Es ist alles falsch gewesen, von Anfang an.«
    »Und ich habe auch uns selbst gesehen, unseren Platz in den Mustern der Kausalität«, fuhr Tyragon. »Wir sind wie ein böses Geschwür im gesunden Körper des Universums. Wir sind eine Mutation, zu der es nie hätte kommen dürfen.«
    Der alte Eterne unterbrach sich, ließ den Kopf sinken schwieg eine Zeit lang, während Agoron flüsternde Stimmen aus der Vergangenheit hörte und jede einzelne von ihnen verstand. Die Bilder an den Wänden, die zu seinen Erinnerungen wurden, erzählten ihm von weiteren Brutschiffen, vom Bau der Zeitflotte, vom Prävalenten, der den Eternen dabei half, den Krieg gegen die Feyn vorzubereiten – die Bewahrer der Kausalität mussten ausgelöscht werden, wenn der zweite Kosmos schneller sterben sollte.
    »Vielleicht«, sagte Tyragon und hob den Kopf wieder, »sind wir selbst das Ergebnis einer Manipulation. Vielleicht geht unsere Existenz auf das Einwirken des Erhabenen zurück.«
    Agoron hörte die Worte, sah die Bilder und schmeckte das Aroma der Wahrheit. Einer bitteren, schrecklichen Wahrheit. In einem seltsamen Moment der Introspektion überlegte er, ob sich Valdorian so gefühlt hatte bei der Erkenntnis, die ganze Zeit über nur ein Werkzeug gewesen zu sein.
    »Unter dem Gespinst der Kausalität …« Tyragon klang sehr müde und schien zu schrumpfen. »Unter dem Fundament des Seins … habe ich etwas gefühlt, etwas das … das lernte, das überall in den Weiten des Universums Fragen stellte und Antworten bekam, aus denen sich neue Fragen ergaben …«
    »Du hast ihn gespürt?«, fragte Agoron. »Den Materie gewordenen Geist?«
    »So nennen die Kantaki jenes Etwas. Aber wie auch immer man es auch nennen will: Es war nicht gefangen. Es sammelte Wissen.«
    Tyragon holte tief Luft. »Der Erhabene hat gelogen. Er hat uns von Anfang an belogen und für seine Zwecke benutzt.«
    Agoron stellte die offensichtliche Frage. »Was sind seine Zwecke?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass wir Schreckliches getan haben. Wenn du diese Botschaft empfängst, so muss dir klar sein, dass alle meine anderen Versuche fehlgeschlagen sind, zumindest einen Teil des von uns angerichteten Schadens wieder gutzumachen. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis ein zukünftiger Säkularer diese Nachricht empfängt, aber ich hoffe, dass es dann noch nicht zu spät ist.«
    Tyragon beugte sich vor und blickte in Augen, die er gar nicht sehen konnte.
    »Die so genannten Eternen durften nie existieren«, sagte er. »Und als die ersten von uns entstanden … Wir hätten uns nicht von den Ahnen trennen und auf keinen Fall gegen sie Krieg führen dürfen. Ich beschwöre dich, Empfänger der Wahrheit: Nutze alle deine Möglichkeiten, um uns aus dem Gespinst der Kausalität zu eliminieren, auf dass wir keinen weiteren Schaden anrichten können.«
    Die Gestalt des alten Eternen im Meditationsgerüst verblasste, verlor an Substanz.
    »Warte!«, rief Agoron, obwohl er wusste, dass es nutzlos war. »Wo ist der Erhabene? Ich bin ihm nie begegnet, und die Säkularen vor mir ebenso wenig. Wo …«
    Das weiße Zimmer – eine Lücke zwischen zwei Bildern des überlieferten alten Wissens – verschwand, und Agoron fand sich im Informationsjunktim der Akida wieder, umgeben von den Buckeln der Datenmodule. Ihm war kalt, trotz der Wärme, die seine Schuppen veranlasst hatte, sich aufzurichten und die Funktion von Kühlrippen zu erfüllen. Etwas in ihm wünschte sich, all die Dinge, die er gerade gesehen, gehört und erfahren hatte, einfach zu vergessen und an dem festzuhalten, was ihm sein ganzes Leben lang vertraut gewesen war. Aber Tyragons

Weitere Kostenlose Bücher