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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Erinnerungen hatten einen festen Platz in seinem Gedächtnis gefunden, und das Schlimme war: Sie ließen sich nicht infrage stellen. Agoron wusste mit jeden Zweifel ausschließender Gewissheit, dass Tyragon während jener langen, ungestörten Meditationen die richtigen Erkenntnisse gewonnen hatte.
    Er taumelte wie unter dem schrecklichen Gewicht der Offenbarungen. Zorn und Entsetzen rangen in ihm miteinander, als er versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen, das ihn heimgesucht hatte. Warum ich?, dachte er, als er an den Datenmodulen vorbeiwankte und das Informationsjunktim verließ. Warum ausgerechnet ich? Nach so vielen Großgenerationen … Warum musste es ausgerechnet mich treffen? Er fragte sich, ob Pergamon irgendetwas von dieser Sache gewusst oder zumindest geahnt hatte. Hat er deshalb alles so arrangiert, dass ich zu seinem Nachfolger wurde, um diese enorme Last nicht selbst tragen zu müssen?
    Doch dies war nur ein Gedanke von tausenden, und jeder einzelne von ihnen verlangte Aufmerksamkeit, jeder einzelne von ihnen wollte beachtet und analysiert werden. Und hinter diesen Gedanken, die wie aufgeschreckte Vögel hin und her stoben, bewegten sich die memorialen Bilder, die nun Bestandteil seiner Erinnerung geworden waren, so als hätte er direkt an jenen Ereignissen teilgenommen und alles miterlebt.
    Wir sind belogen und betrogen worden.
    Dieser Gedanke schaffte es, sich mithilfe des Zorns ganz nach vorn zu schieben und alle anderen beiseite zu drängen. Agoron richtete den Blick von innen nach außen und stellte fest, dass er das Brutschiff verlassen hatte und sich an Bord eines kleines Transporters befand. Er blickte ins All, bemerkte einige neue Zeitschiffe in der dunklen Wachstumsphase und voraus den riesigen Vortex, Quelle des Ozeans der Zeit und koordinierendes Zentrum des Kampfes gegen den Widerstand. Jenseits davon verschlang der Omnivor die Galaxis.
    Wir sind dafür verantwortlich, dachte Agoron.
    Du hast eine Mission zu erfüllen. Dies war mehr als ein Gedanke, fast eine Stimme. Sie erinnerte ihn an die geistige Stimme, die er vor dem Aufenthalt im Informationsjunktim gehört und ihn veranlasst hatte, die anderen Säkularen … nicht zu töten, sondern sie nie existieren zu lassen. Er hatte geglaubt, dass es sich um ein Echo von Tyragons Stimme handelte, aufgenommen mit dem überlieferten Wissen, aber jetzt begriff er, dass sie einen anderen Ursprung haben musste.
    »Wer bist du?« Die Worte tönten seltsam hohl durchs Innere des kleinen Transporters, der sich dem Rand des Vortex näherte.
    Das hast du mich schon einmal gefragt, erwiderte die Stimme. Und ich habe dir geantwortet, dass du das Ende einer langen Kette bist. Du weißt jetzt Bescheid. Beginne mit deiner Mission.
    Über dem Rand des Vortex verharrte der Transporter, und Agoron sah in den dunklen Schlund. Tief unten waberte das Grau der Zeit, dem Gedanken tausender von Eternen neue Struktur gaben. Sie ruhten in den Blasen an den Innenwänden des gewaltigen Trichters, in den silbernen Manipulationsknoten, die in einer langen, engen Spirale nach unten reichten. Jeder einzelne von ihnen war zuständig für ein Farbband im Ozean der Zeit, für eine Realitätslinie und den Kontakt mit den Eternen in ihr. Hier wurde das Netz gesponnen, das ein ganzes Universum umspannte.
    Jeder einzelne von ihnen muss aus dem Gespinst der Kausalität entfernt werden, flüsterte die Stimme.
    Agoron schauderte so heftig, dass seine Schuppen laut knisterten. Er sollte sein ganzes Volk auslöschen?
    Wir hätten nie existieren dürfen, raunte die Stimme, aber das »wir« fühlte sich … seltsam an.
    Er schloss die Augen, nur für einen Moment, um Kraft zu schöpfen, und als er sie wieder öffnete, befand er sich in der Kontrollblase, im ersten Manipulationsknoten ganz am Anfang der langen Spirale. Es waren bereits alle Verbindungen hergestellt; das von seinem Nervensystem übermittelte Prickeln deutete auf die Bereitschaft aller Systeme hin.
    Agoron wusste, dass er sie gar nicht brauchte. Die Veränderungen in ihm genügten für das, was jetzt vollbracht werden musste. Er lehnte sich im Sessel zurück und dachte aus irgendeinem Grund erneut an Pergamon und das Null, an die Gefangenschaft im temporalen Kerker.
    »Warum hat uns der Erhabene nicht aus dem Null befreit?«, fragte er. »Warum musste ich den Menschen namens Valdorian benutzen, um den Omnivorkeim zu retten und zu uns zu führen?«
    Solche Fragen nützen jetzt nichts. Konzentrier dich auf deine Aufgabe. Wir

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