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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Bellavista und stellte zufrieden fest, dass ihm niemand mehr als beiläufige Aufmerksamkeit schenkte. Er war Teil einer anonymen Masse, eine menschliche Ameise unter vielen anderen, und so seltsam ihm das auch erschien, nach einem langen Leben im Zentrum der Macht: Es erfüllte ihn mit Erleichterung. Etwas in ihm hatte befürchtet, dass sich sofort alle Blicke auf ihn richteten, wenn er in den Schein der ersten Levitatorlichter trat.
    Er bemühte sich, nicht durch Eile aufzufallen, ging langsam an pseudorealen Vitrinen vorbei, betrachtete Auslagen, beobachtete vorbeischwebende Fahrzeuge und versuchte, einen Eindruck davon zu gewinnen, in welcher Zeit der Retransfer erfolgt war. Die Levitatorwagen erschienen ihm ein wenig antiquiert, aber er hatte sich nie für Modelle, Ausstattung und dergleichen interessiert, konnte auf diese Weise also nicht genau feststellen, welches Jahr man auf Tintiran schrieb.
    Es dauerte nicht lange, bis er das erste Medienzentrum fand, am Rand eines Wohnviertels, in dem namenlose Menschen in einfachen Gebäuden aus Synthomasse und Stahlkeramik lebten: eine Mischung aus lokaler Finanzverwaltung, Café, Infonauten-Terminal, Versammlungsplatz und Andersweltenzugang. Valdorian ging an den Tischen vorbei, an denen hauptsächlich junge Leute saßen, hörte Gespräche und lauschte den sorglosen Stimmen von Leuten, die nichts ahnten von dem Unheil, das hier irgendwo seinen Anfang nahm.
    In einer freien Terminalnische blieb er stehen, sah auf das zweidimensionale Display und versuchte sich daran zu erinnern, wie diese Technik funktionierte. Die Basisdienste waren gratis, erinnerte er sich und berührte ein Sensorfeld. Der Schirm erhellte sich.
    »Aktuelles Datum«, sagte Valdorian und vertraute darauf, dass sich seine Worte in dem allgemeinen Stimmengewirr verloren. Aus den Augenwinkeln sah er die nahen Tische und anderen Nischen; niemand schien ihn zu beachten.
    Zahlen und Buchstaben erschienen auf dem Schirm. Valdorian starrte darauf hinab und begriff erst nach einigen Sekunden ihre volle Bedeutung.
    6. Juli 301 SN, 19:11 Uhr.
    Von einem Augenblick zum anderen rasten seine Gedanken. Er hatte beabsichtigt, sich mit Jonathan in Verbindung zu setzen, seinem Sekretär, der ihm über Jahrzehnte hinweg treue Dienste geleistet hatte. Er war einfach davon ausgegangen, dass es einen Jonathan in dieser Realität gab, so wie er in all den Jahren als Primus inter Pares Jonathans Präsenz immer für selbstverständlich gehalten hatte.
    Er ist noch gar nicht geboren, dachte er betroffen. Und andere Gedanken folgten, kamen ungebeten und brachten weitere Überraschungen. Mein Vater lebt noch. Und ich, mein anderes Ich in dieser Welt, ist erst siebenundzwanzig Jahre alt.
    Und: Es gibt hier eine Lidia DiKastro, die erst fünfundzwanzig und noch nicht Kantaki-Pilotin geworden ist.
    Valdorian wandte den Blick vom Display ab und sah zu den Hängen hinter der Stadt, an der jetzt ebenfalls viele Lichter leuchteten. Einige von ihnen gehörten zu einer Villa, in der Hovan Aldritt Valdorian der Achtzehnte wohnte, zusammen mit seiner Frau, die stumm litt an der Seite eines Ehemannes, der sie seit vielen Jahren ignorierte. Sie allein hatte ihren Sohn verstanden, als er die Absicht äußerte, eine Nonkonformistin zu heiraten, wodurch es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Valdorian und seinem Vater gekommen war.
    Weitere Erinnerungen flüsterten und raunten in Valdorian. 6. Juli 301 … Am siebten Juli hatte er in dieser Stadt einen Zwillingskristall gekauft, zwei Diamanten, und am 16. Juli hatte er einen von ihnen Lidia geschenkt. Und an jenem Tag trennten sich unsere Wege, dachte Valdorian und spürte ein fernes Echo jenes alten Schmerzes.
    Er sah wieder auf das Display. Jonathan konnte die erforderliche Hilfe nicht leisten – wer kam sonst infrage? Eine der wenigen »Freunde«, die der jungen Valdorian damals gehabt hatte? Sie stammten praktisch alle aus Magnaten-Familien und würden jede Gelegenheit nutzen, einen Vorteil für sich selbst und die Unternehmen ihrer Eltern zu ziehen. Einer der Mitarbeiter seines Vaters? Wenn er ihnen die Geschichte vom zweiten Zeitkrieg und dem Kollaps des Universums erzählte, würden sie ihm glauben? Und wichtiger noch: Würden sie ihm helfen, ohne dass jemand anders etwas erfuhr? Die Spione der Temporalen konnten überall stecken, und ganz abgesehen davon bestand die Gefahr erheblicher Zeitparadoxa, wenn in dieser Realität zu viel verändert wurde.
    Valdorian blinzelte, als er

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