Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
sich in eine ganz andere Person verwandelt zu haben. Das lockige schwarze Haar war nicht mehr verfilzt, sondern sauber und auf Schulterlänge geschnitten. Anstatt der schmutzigen abgerissenen Kleidung trug sie einen beigefarbenen Hosenanzug, der ihre natürliche Eleganz betonte.
»Jetzt fühle ich mich besser«, sagte sie, und die beiden Frauen, die etwa gleichaltrig zu sein schienen, wechselten ein Lächeln. »Bitte entschuldigen Sie die Umstände, die wir Ihnen bereiten.«
»Es sind sehr besondere Umstände.«
Diamant sah Valdorian an. »Haben Sie ihr alles erklärt?«
»Ja, das hat er.« Die kleine Frau stand auf. »Ich glaube, wir können eine kleine Stärkung vertragen. Ich gehe in die Küche und programmiere die Syntho-Maschine.«
»Wird sie uns helfen?«, fragte Diamant leise, als Valdorians Mutter den Raum verlassen hatte.
»Ich denke schon. Sie hat es bemerkenswert ruhig aufgenommen. Für sie muss die Geschichte vollkommen verrückt klingen, aber … sie stellt nichts davon infrage.«
Kurze Zeit später kehrte Valdorians Mutter mit einem Tablett zurück, stellte dampfende Teller und Gläser auf den Tisch. Eine Zeit lang aßen sie schweigend, und Valdorian bemerkte, dass der Blick seiner Mutter immer wieder zu Diamant ging. So unauffällig wie möglich musterte er die Frau, die ihn geboren hatte und von der er so wenig wusste. Eine Fremde schien dort zu sitzen, eine Person, die an der Seite von Hovan Aldritt nur Einsamkeit kennen gelernt und diese Wohnung gemietet hatte, um ein eigenes kleines Leben zu haben. Die Aura der Trauer, die sie umgab, schien sich zu verdichten, aber Valdorian spürte auch einen Hauch Hoffnung.
»Er ist ein guter Junge«, sagte die kleine Frau schließlich. »Ich weiß es.«
»Es geht um viel, viel mehr«, wandte Diamant vorsichtig ein.
Valdorians Mutter seufzte. »Das ist mir klar.«
»Sind Sie bereit, uns zu helfen? Können wir diese Wohnung als eine Ausgangsbasis bei der Suche nach dem Manipulationspunkt benutzen?«
»Ja. Ja, natürlich. Wie könnte ich Ihnen nicht helfen? Ich wünschte nur … Wenn ich mit Rungard reden könnte, mit dem Rungard dieser Zeit, meine ich, wenn ich ihm Gelegenheit geben könnte, mit Ihnen zu sprechen, und mit dir …«
Valdorian überraschte sich, indem er nach der Hand seiner Mutter griff. »Wir sind hier, weil du nicht mit mir gesprochen hast. Ich muss mein Leben so führen, wie ich es geführt habe«, betonte er, und dabei stellte sich erneut das Gefühl ein, etwas Wichtiges zu berühren. »Nur dieser Weg führt hierher. Ich muss all jene Fehler machen, um zu verstehen.«
Erneut erschien ein zaghaftes Lächeln auf den Lippen der kleinen Frau. »Aber letztendlich schaffst du es. Es gelingt dir schließlich, dich von all den Dingen zu befreien, die das Leben deines Vaters bestimmen.«
Valdorian widerstand der Versuchung, Diamant einen Blick zuzuwerfen, der so viel bedeutete wie: Hast du gehört? Ich habe mich geändert. Es ging wirklich um wichtigere Dinge, und die erforderten ihre volle Aufmerksamkeit.
»Wann wollt ihr mit der Suche beginnen?«, fragte seine Mutter. »Und was braucht ihr, abgesehen von dieser Wohnung?«
Diamant schob ihren Stuhl zurück. »Wir brauchen mindestens einen Identer, der uns Zugang zu den Kommunikations- und Datennetzen gibt. Und wir benötigen ein Fahrzeug.«
»Nehmen Sie meinen Levitatorwagen.« Die kleine Frau holte einen Identer und einen dünnen Kodestift hervor. »Damit könnt ihr auf die Magnatendienste in Bellavista zurückgreifen, falls es erforderlich werden sollte. Und der Prioritätskode stellt euch ein Konto mit einem Guthaben von hunderttausend Transtel zur Verfügung.«
Diamant – nicht Valdorian – nahm beides entgegen und stand auf. »Wir beginnen sofort mit der Suche.«
Valdorian dachte an die Begegnung mit seiner Mutter zurück, als Diamant den Levitatorwagen durch die nächtliche Stadt lenkte. So ruhig sie auch gewesen zu sein schien … In ihrem Inneren musste ein riesiges Durcheinander geherrscht haben. Jetzt trug sie ein spezielles Wissen in sich, das sie mit niemandem teilen konnte. War es eine Last für sie, oder eine Gewissheit, die Hoffnung bereitete und alles leichter für sie machte? Wenn sie ihren Sohn sah, den jungen Valdorian dieser Zeit, und wenn sie dann daran dachte, was ihm bevorstand, was ihn in der Zukunft erwartete … Würde sie in Versuchung geraten, ihm von der Begegnung mit dem anderen Valdorian zu erzählen? Und wenn sie sich tatsächlich dazu
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