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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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feststellte, dass er schon seit einer ganzen Weile auf den Bildschirm starrte. Vielleicht gab es jemand anders, der helfen konnte und auch dazu bereit sein würde. Jemand, der schon einmal verstanden hatte.
    »Persönliche Mitteilung an …« Valdorian zögerte und empfand vages Unbehagen angesichts der Tatsache, dass er sich nicht sofort an den vollen Namen seiner Mutter erinnerte. Er fügte ihm den allgemeinen Valdorian-Kode hinzu.
    »Wie lautet die Mitteilung?«, fragte der Datenservo.
    Valdorian überlegte und entsann sich mit überraschender Deutlichkeit an ein Gespräch, das er einmal mit seiner Mutter geführt hatte. An den genauen Zeitpunkt erinnerte er sich nicht mehr, aber er wusste, dass es im Blauen Salon der Villa stattgefunden hatte. Vor dem inneren Auge sah er sie dort am Fenster stehen, wie so oft: Stumm blickte sie nach draußen, auf der Suche nach etwas, das ihm damals unverständlich gewesen war, von einer dunklen Aura des Kummers umgeben. Memoriale Stimmen erklangen aus der Vergangenheit …
    »Bist du glücklich, Rungard?«
    »Warum fragen Sie das? Ich habe alles, das man sich wünschen kann, und irgendwann werde ich der Nachfolger meines Vaters.«
    »Bist du glücklich?«, fragte Valdorians Mutter erneut.
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie seufzte leise und sah ihren Sohn an. Ein Teil der Starre verschwand aus ihrem Gesicht und wich einem Hauch Zärtlichkeit. »Du verstehst die Frage nicht. Wie schade.«
    »Natürlich bin ich glücklich!«
    »Dein Vater vergeudet sein Leben«, sagte seine Mutter leise. »Und ich habe meins an ihn vergeudet. Und du … Du bist nicht glücklich. Du bist allein, wie ich.«
    »Wie können Sie behaupten, dass Vater sein Leben vergeudet? Er lebt intensiver als viele andere Menschen, die ich kenne. Er lebt für seine Ideale …«
    »Ideale?«
    »Ja, er hat Ideale, und er setzt sich für sie ein! Und ich bin glücklich!«
    »Glück ist nicht mit Besitz oder Macht verbunden«, sagte Mutter wie resigniert. »Glück ist … ein blauer Himmel. Der Duft des Frühlings. Tau auf den Blütenblättern einer Blume. Die endlosen Wellen des Meeres. Ein Lächeln. Glück ist das Licht in den Augen einer anderen Person. Das hast du einmal zu lernen begonnen, als Kind, es dann aber wieder vergessen.«
    »Wie lautet die Mitteilung?«, wiederholte der Datenservo.
    Valdorian blinzelte erneut und begriff, dass kostbare Zeit verstrich. »Der Text lautet: Jemand hat gelernt, wie man sein Leben vergeuden kann. Jemand hat gelernt, wie schön Tau auf den Blütenblättern einer Blume ist. Dieser Jemand braucht Hilfe. Dringend. Ich erwarte Sie bei …« Er nannte Namen und Adresse des Medienzentrums, fügte dann hinzu: »Es handelt sich um eine vertrauliche Angelegenheit.«
    »Mitteilung wird übermittelt«, sagte der Datenservo.
    Valdorian verließ die Nische, trat erneut an den Tischen vorbei und blieb neben dem Zentrum stehen, im Schatten zwischen dem Glühen zweier hoher Lampen. Er dachte an Diamant und hoffte, dass sie nicht die Geduld verlor, dass sie weiterhin wartete. Fragen bedrängten ihn, während er den Verkehr und die Passanten beobachtete, nach verdächtigen Personen Ausschau hielt. Würde seine Mutter die Nachricht empfangen? Befand sie sich derzeit auf Tintiran? Er versuchte, sich daran zu erinnern, wo sie am 6. Juli 301 gewesen war, aber dieses Detail hatte in seinem Gedächtnis keinen Platz gefunden. Und wenn sie die Mitteilung empfing: Wie würde sie darauf reagieren? Glaubte sie, dass sich jemand einen üblen Scherz mit ihr erlaubte? Verständigte sie die Sicherheitsabteilung der Valdorian-Unternehmensgruppe, weil sie ein Manöver der Konkurrenz befürchtete?
    Er musste sich eingestehen, dass er nicht wusste, in welchen Bahnen seine Mutter dachte.
    Zeit verstrich. Junge Leute kamen und gingen, plauderten an den Tischen miteinander und fanden sich zu Gruppen zusammen. Valdorian beneidete sie plötzlich, obwohl er mehr als hundert Jahre lang diese Menschen bestenfalls als »Figuren auf dem Schachbrett« gesehen hatte.
    Ein weiterer Levitatorwagen näherte sich dem Medienzentrum, ein unauffälliges Modell, das sich kaum von den vielen anderen unterschied, die gelegentlich von den höheren Flugschneisen herabkamen. Dieser verharrte dicht neben dem Fußgängerbereich, und die polarisierten Fenster verhinderten einen Blick ins Innere. Schließlich öffnete sich die Tür auf der Fahrerseite, und eine Frau stieg aus.
    Valdorian blieb im Schatten stehen und beobachtete seine Mutter, die

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