Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
hinreißen ließ … Konnte sich dadurch etwas an der aktuellen Situation ändern? Er erinnerte sich nicht daran, dass seine Mutter ihm gegenüber jemals irgendwelche Andeutungen gemacht hatte, aber war das ein Beweis dafür, dass es nicht geschehen würde? Er erinnerte sich ohnehin nur an wenige Dinge in Hinsicht auf seine Mutter. Sie war immer im Hintergrund geblieben, eine vage Person ohne eigene Persönlichkeit. In der Wohnung hatte er einen kleinen Teil ihres Lebens gesehen, und plötzlich bedauerte er zutiefst, dass er nicht mehr von ihr wusste. Er empfand diese Lücken in seinem Wissen als enormen Verlust, und die Worte, die sie an ihn gerichtet hatte, gewannen dadurch doppelte und dreifache Bedeutung. Glück ist das Licht in den Augen einer anderen Person. Ja, jetzt verstand er. Und er begriff plötzlich, dass Lidia damals ähnliche Worte an ihn gerichtet hatte, ohne dass der junge Valdorian in der Lage gewesen war, sie zu verstehen.
»Sie sind sehr schweigsam«, sagte Diamant nach einer Weile, während sie sich vom Navigationsservo dabei helfen ließ, den Levitatorwagen zu steuern. Um sie herum leuchteten die bunten Lichter der Innenstadt von Bellavista.
»Die Begegnung mit meiner Mutter hat mir zu denken gegeben«, sagte Valdorian und blickte nach draußen, beobachtete den Verkehr und die Passanten in den Fußgängerbereichen. Alles wirkte normal. Nichts deutete darauf hin, dass ein Ereignis von kosmischer Bedeutung bevorstand. Wie sollten sie ohne irgendwelche Hinweise den originären Manipulationspunkt finden?
»Warum?«
»Ich habe sie nie richtig gekannt, und das tut mir jetzt Leid. Ich bedauere es umso mehr, da mir klar ist, dass man manche versäumte Dinge nicht nachholen kann.«
Diamant warf ihm einen kurzen Blick zu.
»Ich hatte Jonathan um Hilfe bitten wollen«, fuhr Valdorian fort. »Ich bin einfach davon ausgegangen, dass er zur Stelle sein würde, so wie er immer zur Stelle war, wenn ich ihn brauchte. Aber dies ist der sechste Juli 301 SN. Jonathan ist noch nicht einmal geboren. Seltsam.«
»Was ist seltsam?«
»Für wie selbstverständlich wir viele Dinge halten. Wir gehen einfach davon aus, dass sie da sind, ohne über sie nachzudenken. Und wenn etwas nicht mehr da ist … Dann ist es zu spät.«
»Zu spät wofür?«
»Zu spät, um mehr über sie herauszufinden, sie zu schätzen und zu achten. Wieso ist man immer erst hinterher klüger? Warum müssen wir durch Fehler lernen, durch unangenehme, schmerzhafte Fehler? Wieso können nicht auch Erfahrungen in unseren Genen gespeichert sein?«
»Das sind sie.«
»Ich meine …«
»Ich weiß, was Sie meinen. Erinnern Sie sich an unsere Gespräche über die Einbahnstraßen des Lebens?«
»Ja.«
»Das Leben zwingt uns manchmal, schwere Entscheidungen zu treffen, und anschließend gibt es kein Zurück.«
Valdorian atmete tief durch. »Für mich gab es ein Zurück. Ich habe ein langes Leben gelebt und alle Fehler gemacht, die man nur machen kann. Aber ich habe ein zweites Leben bekommen, und damit die Chance, jene Fehler nicht zu wiederholen.« Tief, tief in seinem Inneren knurrte leise ein Geschöpf, das er fast vergessen hatte: die dunkle Kreatur, angekettet in einem Verlies hinter dicken geistigen Mauern.
»Und der Preis für dieses zweite Leben ist ein Zeitkrieg, den die Temporalen gewinnen, und anschließend der Kollaps des Universums. Meinen Sie nicht, dass ein solcher Preis ein bisschen zu hoch ist?«
Diamants Stimme blieb sanft bei diesen Worten, aber in seiner Erinnerung hörte Valdorian die zynische Bitterkeit der anderen Diamant, die ihn für alles verantwortlich gemacht hatte.
Er beschloss, das Thema zu wechseln. »Wonach suchen wir?«
»Nach Temporalen. Wenn der Manipulationspunkt in der Nähe ist, und wenn die Manipulation bald erfolgt, sind bestimmt welche hier, natürlich getarnt. Ich kann sie mit meiner Gabe erkennen.«
»Und wenn Sie welche entdecken?«
»Dann folgen wir ihnen, in der Hoffnung, dass sie uns zum Ort der Manipulation führen.«
»Wir wissen nicht einmal, wann die Manipulation erfolgt! Und wir können nicht pausenlos unterwegs sein. Sie sind erschöpft. Wir sind beide müde. Irgendwann müssen wir schlafen. Und wenn die Temporalen genau dann aktiv werden …« Valdorian schüttelte den Kopf. »KiTamarani hat davon gesprochen, dass sich ein großer Kreis schließt. Sie meinte, mit uns beiden hätte alles begonnen – und vielleicht könnten wir beide auch alles zu einem Ende bringen. Was kann in Bezug
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