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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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wer du bist.«
    Diamant senkte den Blick und sah eine etwa zwanzig Zentimeter große Version von Amyldema über den Kontrollen ihres Konsolensessels. Die weiße Frau mit dem langen weißen Haar drehte sich langsam und breitete dabei die Arme aus. Ihre Augen leuchteten.
    »Du bist die Diamant, die Ilania hierher gebracht hat«, sagte Amyldema. »Die Diamant aus der blauen Zeitlinie. Dein Valdorian hat dies alles angerichtet.« Bei diesen Worten deutete sie auf die vielen Szenen der Zerstörung.
    »Wie konnte dies passieren?«, fragte Diamant leise, und ihr Blick strich erneut über die vielen Informationsfenster. »Wie konnte es so weit kommen?«
    »Die ersten Veränderungen fanden an zentralen Kausalitätspunkten statt«, erwiderte Amyldema, und es klang wie ein leiser, trauriger Gesang. »Nur einen von ihnen konnten wir lokalisieren, um dann durch eine Kontramanipulation die blaue Linien zu stabilisieren.«
    Wieder streckte die kleine weiße Frau die Hand aus, und Diamant spürte ein sonderbares Prickeln tief in ihrem Inneren, so als berührte die kleine Hand nicht nur ihre Wange, sondern auch ihr Selbst. Amyldema, so begriff sie, war mehr als nur eine Künstliche Intelligenz. Sie war der Geist dieses Refugiums im Ozean der Zeit, seine Seele, geschaffen von Programmen, die andere Programme generiert hatten. Eine maschinelle Kognitorin …
    »Da hast du Recht«, sagte Amyldema mit jener Stimme, die fast wie Gesang klang. »Und auch wieder nicht. Ich bin nicht nur das Ergebnis komplexer Datenservo-Programme, sondern auch modulierte Energie.«
    »Wer hat dich …«
    »Wer mich konzipiert und geplant hat?« Ein Lächeln erschien im Gesicht der feenhaften Frau. »Die Erbauer dieser Station.«
    »Und wer waren die Erbauer dieser Station?«
    »Die Tran-Tri, die ›Sternenwanderer‹«, antwortete Amyldema, und diesmal glaubte Diamant, so etwas wie Trauer in ihrer Stimme zu hören. »Sie flohen vor dem Omnivor hierher und verließen mich vor fünftausend Jahren. Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist.«
    Wie kurz nach der Begegnung mit ihrer Schwester Aida und der Konfrontation mit der grässlichen Wirklichkeit des verlorenen Zeitkriegs hatte Diamant das Gefühl, die Orientierung zu verlieren. Zu viele Fragen in ihr versuchten, sich in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu schieben, verlangten mit zu großem Nachdruck Antworten. Wie konnte es den Ozean der Zeit schon damals gegeben haben, obwohl er von den Temporalen geschaffen worden war, um den Widerstand daran zu hindern, die eine Linie mit objektiver Zeit zu finden, in der die Temporalen den großen Kollaps planten? Und wenn die Tran-Tri vor fünftausend Jahren verschwunden waren, wie hatte der Widerstand dann dieses Refugium gefunden?
    Doch statt eine dieser Fragen zu stellen, kamen ganz andere Worte über Diamants Lippen. »Fühlst du dich einsam?«
    Die weiße Frau in der Mitte des kugelförmigen Raums blieb unverändert, drehte sich auch weiterhin wie in einem langsamen Tanz, die Arme ausgebreitet, das Haar wie eine Wolke. Doch die kleinere Amyldema über den Kontrollen des Konsolensessels veränderte sich. Verwunderung erschien in ihrem feenhaften Gesicht, gefolgt von Schmerz, Kummer und Trauer.
    »Das hat mich noch niemand gefragt«, antwortete sie in ihrem melodischen Sprechgesang. »Ich bin einsam geboren, denn es gibt niemanden sonst wie mich.«
    »Wir alle sind einzigartig«, sagte Diamant und versuchte, sich das »Leben« einer komplexen Künstlichen Intelligenz vorzustellen. »Jeder von uns, ganz gleich, welchen Ursprung und welche Grundlage unser Denken und Fühlen haben. Jedes Selbst ist ein Unikat.«
    Zum dritte Mal hob Amyldema die Hand, und ihre kleinen Finger strichen über Diamants Wangen. »Du hast eine hohe Realitätsdichte«, sagte sie. »Du stammst aus einer blauen Linie, aus einer stabilen, kaum manipulierten Zeit. Vielleicht bist du deshalb … anders.«
    »Anders?«
    »Viele gerettete Kognitoren sind wie Träume innerhalb eines Traums, Personen mit geringer Realitätsdichte, das Ergebnis von temporalen Manipulationen und Kontramanipulationen. Du hingegen kommst der ursprünglichen Realität sehr nahe. Vielleicht hat euch deshalb ein Transfer in die objektive Zeit gebracht – weil du ihr nahe bist.«
    Schatten huschten wie eine dunkle Welle über die zahlreichen Informationsfenster, und die große Amyldema in der Mitte des Raums veränderte ihren schwebenden Tanz ein wenig. Andere Konsolensessel flogen an dem von Diamant vorbei. In

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