Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
Eigenleben entwickelten, hin und her zu kriechen schienen. Jede dieser mehr als dreißig Meter hohen Säulen trug eine Plattform, und auf jeder Plattform ruhte ein Kantaki: drei Mütter und zwei Väter, alle mindestens zwanzig Großzyklen oder zweitausend Standardjahre alt. Brücken aus Felsgestein verbanden die Plattformen mit einer offenen Galerie, die sich an den Wänden der Höhle entlangzog und Zugang zu Tunneln und anderen Grotten in der Nähe erlaubte. In dem Kreis, den die fünf Säulen bildeten, ragte eine sechste auf, ebenfalls aus Obsidian, aber ohne Symbole, etwas dünner als die anderen und nicht ganz so hoch. Auch dort gab es eine Plattform, aber sie war leer, und Diamant wusste, auf wen sie wartete: Auf mich, auf uns.
Der Transporter hielt an, und sie stiegen aus. Grar beugte noch einmal die Gliedmaßen vor dem Gesandten, und die beiden Pilotinnen verneigten sich, folgten Grar dann über den Steg, der zur leeren Plattform auf der sechsten Säule führte. Diamant bemerkte, dass die Großen Fünf in Nährpilzen ruhten, die die untere Hälfte ihrer Körper ganz umschlossen, Zeichen dafür, dass sie sich schon seit geraumer Zeit in dieser Grotte aufhielten, vielleicht seit Monaten.
Grar und die beiden Pilotinnen traten auf die Plattform, und dort warteten sie.
Zeit verging.
Zeit außerhalb des Zeitstroms, denn diese Grotte, wie der größte Teil der Neststädte und anderen subplanetaren Einrichtungen von Munghar, gehörte zur Hyperdimension der Kantaki. Diamant hatte sich so sehr an die perspektivischen Verzerrungen gewöhnt, dass sie sie kaum mehr bewusst bemerkte, aber als sie sich jetzt darauf konzentrierte, gewann sie sie den Eindruck, dass sich die Grotte korkenzieherartig verzog; die Säulen wurden krumm, und eine Wand wich in weite Ferne, während eine andere so nahe rückte, dass Diamant nur die Hand ausstrecken musste, um die Leuchtflechten dort zu berühren …
Kantaki-Kiefer klickten, und verzerrte Konturen ordneten sich wieder zu Formen an, die das menschliche Auge für normal hielt.
»Wir grüßen euch, Diamant und Esmeralda«, ertönte es aus einem Linguator. »Und wir grüßen auch ihn, Vater Grar.«
»Die Fünf erweisen uns eine große Ehre«, sagte Grar und streckte seine Gliedmaßen in Richtung der Kantaki auf den anderen Säulen.
Wieder klickte es, und Diamant konnte nicht feststellen, von welcher Säule die Laute kamen. »Vater Grar hat uns einen sehr beunruhigenden Bericht übermittelt«, sagte einer der Großen Fünf. »Wir bitten dich, ihn zu erläutern, Diamant.«
Diamant trat vor, an Grars Seite. Sie hatte sich die Worte schon während des Flugs nach Munghar zurechtgelegt und zögerte nicht, begann ihre Schilderungen mit den Ereignissen im Nexus zwischen den Galaxien. Sie beschrieb den Flug durch den Ozean der Zeit, die Geschehnisse im Refugium Amyldema, ihre Rückkehr in die blaue Zeit und zum Nexus, wo es ihr gelungen war, einen Teil dieser Realitätslinie zu verändern und Esmeralda zu retten.
»Ich habe gesehen, was in der … realen Realität passiert«, sagte Diamant. »In der braunen, objektiven Zeit. Ich habe die Milchstraße gesehen, zur Hälfte vom Omnivor verschlungen. In der Wirklichkeit ist er längst hier, der Abissale, und er schickt sich an, den großen kosmischen Kreis zu schließen, bevor der Geist, der einst Materie wurde, alle Antworten gefunden hat.«
Diamant holte tief Luft, und in dieser kurzen Pause vernahm sie ein dumpfes Summen in der Grotte, das sie zuvor nicht gehört hatte. Fluoreszenzmuster huschten über Körper und Gliedmaßen der Großen Fünf, obwohl sie sich nicht bewegten.
»Ein zweiter Zeitkrieg hat stattgefunden, und die Temporalen haben ihn gewonnen«, sagte Diamant. »Die Welt, die wir als real wahrnehmen, ist manipuliert, wie so viele andere …«
»Wie ist das möglich?«, klickte einer der alten Kantaki. »Unsere Zeitwächter haben nichts bemerkt.«
»Vielleicht haben die Temporalen Mittel und Wege gefunden, die Zeitwächter zu täuschen«, sagte Diamant. »Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass die Temporalen den Sieg errungen haben und sich anschicken, das Fünfte Kosmische Zeitalter einzuleiten, die Ära der Vergeistigung, und damit endet das Universum mitsamt dieser Realitätslinie. «
Es kam zu einem Klicken, das die Linguatoren nicht übersetzten – die Großen Fünf schienen sich in einer eigenen Sprache zu verständigen.
»Die Zeitwächter haben nichts bemerkt«, wiederholte einer von ihnen, und diesmal glaubte
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