Kantaki 03 - Der Zeitkrieg
großen dunklen Augen, die mehr gesehen hatten als er – Hogaron war viel, viel älter –, setzte den Weg fort, ging an den anderen Säkularen vorbei und musterte sie nacheinander. Er wusste: Wenn er sich nur ein wenig bemüht hätte, wäre er in der Lage gewesen, sie zu sondieren, als bestünden ihre Körper aus transparentem Kristall. Er hätte alles sehen können, Gedanken und Gefühle, Hoffnungen und Ängste. Aber diese Dinge interessierten ihn nicht. Nicht jetzt, und nicht hier.
Wie einfach plötzlich alles wurde. Ein Gedanke an der richtigen Stelle. Oder eine Berührung. Und dann fehlte nur noch der Wunsch, die Absicht.
Agoron hob die Hand, und ein Tentakelfinger berührte einen der glühenden Fäden, die Hogaron umgaben, und der Säkulare, der ihm viermal nach dem Leben getrachtet hatte – aus Hass, Neid und Ehrgeiz – verschwand. Von einem Moment zum anderen war er nicht mehr da, hatte nie existiert, und die Wunden in der Zeit, hervorgerufen von dieser Manipulation, schlossen sich.
Ohne eine Narbe.
Agoron begriff nicht sofort, was das bedeutete, und als ihm die Erkenntnis dämmerte, staunte er über sich selbst und seine neuen Fähigkeiten.
Er konnte die Zeit manipulieren, ohne dass Spuren zurückblieben.
Du kannst noch viel mehr.
Agoron horchte in sich selbst hinein und befürchtete für einen endlos langen Moment, dass sich sein Selbst spaltete und er die Hilfe eines Psychotrons in Anspruch nehmen musste. In letzter Zeit geschah es immer häufiger, dass Eterne an geistiger Instabilität litten – man vermutete zu häufige und zu komplexe temporale Manipulationen als Ursache. Den vom Ovum der Akida geschaffenen Psychotrons gelang es in den meisten Fällen, solche geistigen Erkrankungen zu heilen.
Hogaron war von Anfang an dein Gegner gewesen, raunte es in seinem Inneren, aus dem Zentrum des brennenden Wandels. Aber auch die fünf anderen Säkularen stellen eine Gefahr dar. Jeder von ihnen könnte Anspruch auf deinen Platz erheben und zum Äonar werden.
»Was geschieht hier?«, fragte Agoron leise, während sich der Raum noch immer abseits der Zeit befand. »Was geschieht mit mir?«
Nutze die Gelegenheit, forderte ihn die Stimme auf. Du kannst dafür sorgen, dass sie nie existiert haben, und keine Spur wird jemals darauf hindeuten, dass es sie gab. Mach dich zum einzigen Unsterblichen.
»Warum?«, fragte Agoron und fühlte gleichzeitig, wie die Versuchung immer größer wurde. Erneut ging er an den fünf anderen Zirkelmitgliedern vorbei und beobachtete ihre leuchtenden Fäden. Er streckte die Hand aus …
Ein Teil von ihm wollte sie zurückziehen, war aber nicht stark genug. Die Tentakelfinger berührten einen schimmernden dünnen Strang, ein Wunsch …
Ein weiterer Säkularer verschwand, ohne jemals einen Platz in irgendeiner Realitätslinie gehabt zu haben.
Und jetzt die anderen.
»Aber warum? Sie sind keine Gefahr für mich.«
Sie könnten zu einer Gefahr für dich werden.
Agoron begann zu zittern, als der innere Konflikt an Intensität gewann, aber die Beine trugen ihn zu den restlichen vier Säkularen, und seine Tentakelhand, von der inneren Stimme gesteuert, löschte ihre Existenzen aus. Schließlich stand er allein in einem Raum, in dem sich außer ihm nie andere Säkulare aufgehalten hatten. Es hatte nie andere Säkulare gegeben, nur ihn, den einzigen Äonar, jetzt und für immer.
Es ist vollbracht. Der erste Schritt.
»Der erste Schritt?«
Begib dich ins Informationsjunktim.
»Das Ovum muss neu programmiert und überprüft werden.« Das war wichtig. Zweifellos handelte es sich um eine seiner wichtigsten Aufgaben überhaupt, denn der Druck auf das Kastell musste mit neuen, verbesserten Waffen verstärkt werden. Gleichzeitig galt es, eine zu starke Belastung des Ovums zu verhindern, denn immerhin war die Akida das einzige Brutschiff, das den Eternen noch zu Verfügung stand.
Das Ovum ist bereits neu programmiert und überprüft.
Tatsächlich: Als Agoron darüber nachdachte, erwachten plötzlich entsprechende Erinnerungen in ihm.
Das Junktim …
»Ja.« Das dumpfe Summen aus den Tiefen der Akida kehrte zurück. Er, Agoron, früher der Observant und Suggestor Agorax, war das alleinige, unumschränkte Oberhaupt der Eternen.
Im Junktim erwartet dich das alte Wissen.
Agoron machte sich auf den Weg.
Es war warm im Informationsjunktim der Akida, so warm, dass sich Agorons gelbe und zinnoberrote Schuppen aufrichteten, mehr Blut aufnahmen und die Funktion von Kühlrippen
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